Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
um die Evalution von Perspektiven. Die westlichen Gesellschaften arbeiten normalerweise auf der Ebene einzelner Abschnitte, wir arbeiten dagegen auf der Ebene eines gasführenden Areals, das heißt, wir betrachten ein größeres Gebiet und können sagen, wo die Perspektiven besser sind, auf welches Gebiet man am besten ausweichen beziehungsweise wo man sich vorrangig um eine Lizenz bemühen sollte. Und drittens auf ökonomischem Gebiet, wir erstellten allgemeine Wirtschaftsprognosen. Zum Beispiel dazu, was man besser exportieren sollte – Rohöl oder bereits verarbeitete Produkte – und welche Standorte sich am besten für erdölverarbeitende Betriebe eigneten. Einschätzungen dieser Art. Chodorkowski investierte in unsere Forschungsarbeit Hunderte Millionen Dollar, wenn ich das richtig sehe.
Verstehen Sie, die Erschließung neuer Lagerstätten in Ostsibirien und selbst die weitere Erschließung dessen, was schon zu sowjetischen Zeiten begonnen, aber dann aufgegeben worden war, das alles kostete sehr viel Geld und barg große Risiken. Er war der erste, der in diese Arbeit eingestiegen ist. Allerdings hat er sie nicht zu Ende gebracht. Die Lagerstätte Jurubtscheno-Tochomskoje wurde nie in Betrieb genommen.
Das Thema ›Export in den Osten‹ war das Lieblingsthema unseres wissenschaftlichen Leiters Alexej Kantorowitsch. Chodorkowski lud ihn ins Yukos-Direktorium ein. Und Yukos hatte wirklich ein feines, unabhängiges Direktorium, dem Leute angehörten, die auf ihren Gebieten kompetent waren. Kantorowitsch vertrat dort die geologische Wissenschaft.«
Im selben Jahr, 1999, beantragte Chodorkowski in China den Bau einer Pipeline von Angarsk (im Gebiet Irkutsk, Ostsibirien) nach Dàqìng (China). Wie der ehemalige Chef der russischen Zentralbank, Wiktor Gerastschenko, beteuert, der nach Chodorkowskis Verhaftung auf dessen Bitte hin den Vorsitz im Yukos-Direktorium übernahm, war Yukos als Unternehmen für die Ausführung des 2001 in Moskau geschlossenen Regierungsabkommens über Erdöllieferungen nach China verantwortlich – und Öl in Tankwagen nach China zu transportieren ist wesentlich teurer, als es durch eine Rohrleitung zu schicken.
Chodorkowskis Angebot lautete: Wir, das heißt Yukos, finanzieren den Bau der Pipeline zusammen mit den Chinesen. Unseren Berechnungen zufolge wird die Pipeline nach Dàqìng etwas über drei Milliarden Dollar kosten und 2005 in Betrieb genommen. Wir können dann den Chinesen rund 30 Millionen Tonnen Erdöl jährlich verkaufen. Gleichzeitig plante auch der Staat, ausgehend von denselben Rohstoffvorkommen, den Bau einer Pipeline, die allerdings nicht in Angarsk, sondern in Taischet, ebenfalls im Gebiet Irkutsk gelegen, ihren Ausgangspunkt haben sollte. Sie sollte auch nicht nach China, sondern nach Nachodka führen – für die Japaner.
Sobald wir die Begriffe »Erdöl« und »China« in einem Atemzug nennen, klingt die Sache automatisch nach Geopolitik. Ich erinnere mich, wie meine Kollegen und ich spekulierten, ob die Reaktion der Amerikaner auf Chodorkowskis Verhaftung nicht vielleicht deshalb so »indifferent« ausgefallen war, weil sie über die alternativen Routen für die Lieferung von Erdöl nach China alles andere als erfreut waren, denn diese hätten ihre eigenen Einflussmöglichkeiten in der Region verringert. Lieferungen auf dem Seeweg konnten sie kontrollieren, eine russische Pipeline wohl kaum. Michail Deljagin, der Leiter des Instituts für Probleme der Globalisierung, äußerte später die Vermutung, gerade dieses Projekt sei der Grund dafür gewesen, dass Chodorkowski in Ungnade fiel. Deljagin behauptet, die Amerikaner seien entschieden gegen die Lieferung russischen Erdöls ins Reich der Mitte gewesen und hätten versucht, verschiedene Hebel einzusetzen, um das weitere Wachstum Chinas einzudämmen. Moskau, so seine Meinung, habe damals auf Washingtons geopolitische Interessen Rücksicht genommen. Diese Sichtweise hat durchaus ihre Berechtigung, besonders wenn man bedenkt, dass Russland nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eines der ersten Länder war, das den Vereinigten Staaten Unterstützung anbot. Für eine kurze Zeit danach schienen die Beziehungen zwischen beiden Ländern so ungetrübt wie nie zuvor – bis amerikanische Truppen im März 2003 in den Irak einrückten. Chodorkowski sprach übrigens auch vom möglichen Nutzen der Operation im Irak, was nicht der offiziellen Position Russlands entsprach, das diesen Krieg ja nicht mittrug.
Michail
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