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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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durch »Simulakren« zu ersetzen, haben Tradition und sind, ebenfalls traditionsgemäß, ineffektiv.
    Ich bin überzeugt: Ein starkes, modernes Russland ist ohne eine starke Zivilgesellschaft nicht zu haben.
    Die Grundlage einer solchen neuen Gesellschaft muss Ehrlichkeit sein. Wir erkennen in der russischen Gesellschaft in diesen Tagen deutlich ein Bedürfnis nach Aufrichtigkeit und Transparenz in der Politik, danach, dass die Erklärungen eines Politikers tatsächlich seinen wahren Ansichten und praktischen Vorhaben entsprechen.
    Die »Partei der Macht« im weiteren Sinne des Wortes – also sowohl Einiges Russland als auch alle möglichen gesellschaftlichen Strukturen, die unter dem Schutz der Staatsmacht agieren, aber ebenso die fiktive Opposition, die faktisch auch nur auf die Macht aus ist, sowie die eigentliche Exekutive – bietet uns das genau entgegengesetzte Bild. Hier tut sich zwischen Worten und Taten gewöhnlich ein Abgrund auf; den verschiedenen Versprechungen, egal ob sie nun im Wahlkampf gemacht werden oder nicht, misst überhaupt niemand irgendeine besondere Bedeutung bei. Der »gute Ruf« an sich ist gänzlich abgeschafft, hier wird »im Automatikbetrieb« gelogen, ohne sich über die Konsequenzen Gedanken zu machen. Aber worüber sollte man sich auch Gedanken machen, wenn es den guten Ruf nicht mehr gibt und ein Wahlergebnis mit »administrativen Mitteln« erzielt werden kann, unabhängig vom tatsächlichen Ausgang der Abstimmung.
    Charakteristisches Beispiel eines solchen Vorgehens, das schon an Hütchenspielerei grenzt, ist die Geschichte mit den politischen Reformen, die der Kreml Ende 2011 nach den Massenprotesten auf dem Bolotnaja-Platz und dem Sacharow-Prospekt versprochen hatte. Kaum war die Staatsmacht zu dem Schluss gelangt, dass die Protestbewegung sich im Abwärtstrend befand, sagte sie sich von ihren Zugeständnissen los. Der Inhalt der Reformen wurde ausgehöhlt, man ging nun nach dem offen kriminellen Grundsatz »wenn man jemanden für dumm verkaufen kann, muss man es auch tun« vor – das war es letztlich auch, was dazu führte, dass auf einmal deutlich mehr Menschen an der Protestaktion vom 6. Mai 205 teilnahmen.
    Der Aufbau der Zivilgesellschaft wird zwangsläufig schwerwiegende, auch nationalistische und extremistische Begleiterscheinungen haben. Die Konkurrenz um die Macht wird unweigerlich zunehmen. Der Versuch, diese Prozesse im Rahmen eines archaischen, hierarchisch geprägten Modells zu steuern, wird allerdings ins Chaos führen. In diesem Punkt sind die Befürchtungen der Staatsmacht berechtigt. Aber genau darin liegt das Hauptproblem des Putin-Regimes: Es ist nicht imstande, komplexe Prozesse zu steuern, und je primitiver die Rahmenbedingungen sind, desto primitiver ist auch die Wirtschaft, und die Entwicklung des Landes kommt insgesamt zum Erliegen. Die Folgen sind eine rohstoffbasierte Wirtschaft, Technologien der »dritten Welle«, ein immer niedrigeres Bildungsniveau der Bevölkerung und so weiter.
    Das dynamische Modell (das auch als System der »Checks and Balances« bezeichnet wird) erfordert mehr Mut, Führungskompetenz, die Bereitschaft, für eigene Entscheidungen Verantwortung zu übernehmen, und, was das Wichtigste ist, es führt unausweichlich zu einer ständigen Rotation der Macht. Gerade sie ist Motor und Folge des dynamischen Modells der Steuerung der Gesellschaft.
    Die beträchtlichen negativen Auswirkungen im Zusammenhang mit der »Ingangsetzung« von Mechanismen zur Selbstorganisation werden sehr schnell (wahrscheinlich sogar zeitgleich) dadurch kompensiert, dass sich die Qualität der Steuerungsprozesse durch eine Stärkung der Feedback-Verfahren und eine Übertragung gesellschaftlicher Aktivitäten auf lokale Gemeinschaften verbessert, wozu auch eine bessere Ausnutzung lokaler Ressourcen und ein verbesserter Schutz für kleine und mittlere Unternehmen gehören.
    Es besteht jedoch ein Problem, das durchaus Beachtung verdient, insbesondere angesichts der Stereotype unserer staatlichen Macht, die Konkurrenz gerade auf der föderalen Ebene für gewöhnlich am meisten fürchtet.
    Bei der Entwicklung der gesellschaftlichen Institutionen geht die größte Gefahr unter den russischen Gegebenheiten im gleichen Maße wie von den ultranationalistischen Bewegungen von nach außen hin abgeschlossenen Gebietseinheiten aus, die, anstatt die »russischen Weiten« zu konsolidieren, unter bestimmten Bedingungen dazu beitragen können, dass diese Räume weiter vereinzelt

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