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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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werden oder sogar das Gesamtgefüge auseinanderbricht. Einheitliche legitime Ziele auf gesamtrussischer Ebene zu verfolgen, ist daher einer Regionalisierung eindeutig vorzuziehen.
    Allerdings tritt dieses für das Land objektiv nützliche Ziel in Widerspruch zu den kurzfristigen, egoistischen Motiven des machthabenden Teils der Elite (die entweder keinen hinreichend weiten Planungshorizont hat oder, was wahrscheinlicher ist, schlichtweg eine »Kompradoren-Elite« 206 ist).
    Hier entsteht ein objektiver, möglicherweise sogar antagonistischer Widerspruch. Diesen Widerspruch gilt es, sich bewusst zu machen, zu artikulieren und mit den Mitteln des politischen Kampfes zu überwinden.
    Die liberaldemokratischen Kräfte (nicht im Sinne der LDPR ) haben ein begründetes strategisches Interesse an einer wie auch immer gearteten »Verkomplizierung« des gesellschaftlichen Systems, wobei ihnen durchaus klar ist, dass es ihnen nicht vergönnt sein wird, in den nächsten 20 Jahren die einzigen und schon gar nicht die größten politischen Nutznießer dieses Prozesses zu sein.
    Genau deshalb ist es falsch, ausschließlich im Umfeld der Liberalen nach Verbündeten zu suchen, und es ist ein noch größerer Fehler, ein Bündnis mit klugen, versierten Etatisten abzulehnen, die bereit wären, die Steuerung eines komplexen und modernen Staatsapparats zu übernehmen, und die ein objektives Interesse daran hätten, einen solchen Apparat anstelle des gegenwärtigen archaischen Systems, das bereits Moos angesetzt hat, aufzubauen.
    In dieser Phase der Entwicklung unseres Landes verfolgen wir dieselben Ziele. Über die Taktik kann man sich einigen. Und die nächste Generation wird sich selbst mit den künftigen objektiven Widersprüchen auseinandersetzen.
    Heute müssen wir die ganze Gesellschaft mit einer Unmenge von Verbindungslinien durchziehen, mehr Vertrauen untereinander schaffen und unabhängige Institutionen (zum Beispiel Gerichte, Parlament, Medien, Parteien, Gewerkschaften und Vereinigungen derjenigen, denen bestimmte gesellschaftlich relevante Probleme nicht gleichgültig sind) etablieren und stärken sowie eine gesellschaftlich akzeptable Praxis für die Abhaltung von Wahlen, Demonstrationen, Kundgebungen, Streiks und anderen Formen von Bürgeraktivitäten erarbeiten, die in der Gesellschaft nicht nur das notwendige Maß an wechselseitigen Beziehungen und Vertrauen sichern, sondern auch ein gemeinsames innovatives Umfeld schaffen, das bereit ist, Neues aufzunehmen, es zu verarbeiten und zu nutzen, unabhängig davon, ob es dabei um neue Ideen, Technologien oder um Humankapital geht.
    Im Bereich des gesellschaftlichen Engagements, der zivilgesellschaftlichen Institutionen und des Zusammenspiels zwischen Gesellschaft und Staat außerhalb der Wirtschaft sehe ich mich mithin als konsequenten Liberalen.
    In den internationalen Beziehungen halte ich, der ich, wie inzwischen klar ist, ein »Westler« und kein »Slawophiler« bin, es nichtsdestoweniger für sinnvoll, eine multivektorielle Politik beizubehalten und gleichzeitig eine stärkere Integration mit der EU zu verfolgen.
    Das außenpolitische Handeln soll dem Land helfen, seine inneren Probleme zu lösen und seine äußere Sicherheit zu gewährleisten.
    Wirkliche Probleme bei der äußeren Sicherheit erwarten uns mittelfristig nur in zwei Fällen:
    1) wenn innere Spannungen in China die Stabilität des Landes erheblich schwächen oder radikale Kräfte im Land an die Macht bringen (was weniger wahrscheinlich ist);
    2) wenn der radikale Islam in Mittelasien an Einfluss gewinnt, ohne dass es, insbesondere durch China, ein Gegengewicht dazu gibt.
    Beide Situationen sind zwar wenig wahrscheinlich, aber immerhin denkbar. Wobei auch Synergieeffekte möglich sind.
    Bei der Lösung dieses Problems wird uns Europa leider keine Hilfe sein. Die Europäer werden sich schlichtweg nicht einmischen, sollte es richtig »brenzlig« werden. Im Gegensatz zu den USA , ohne deren Hilfe es uns schlecht ergehen könnte. Freilich darf man auch nicht gänzlich ausschließen, dass die Amerikaner ein Interesse daran haben könnten, ein gewisses Spannungsniveau künstlich aufrechtzuerhalten. Worauf es ankommt, ist geschickte Diplomatie.
    Offensichtlich ist jedoch, dass eine ernst zu nehmende Destabilisierung, die Russland in einen akuten Konflikt hineinziehen würde, für die Amerikaner nicht hinnehmbar ist. Schon deshalb, weil Russland in einem solchen Konflikt allein beziehungsweise ohne Einsatz von

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