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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Atomwaffen nicht bestehen könnte, und den Einsatz von Atomwaffen zu provozieren, selbst im Rahmen einer regionalen Auseinandersetzung, ist das Letzte, was ein vernünftig denkender Mensch braucht.
    Wenden wir uns nun aktuelleren Aufgaben der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu: Klar ist, dass eine Entscheidung zugunsten der Wissensökonomie zwangsläufig auch eine Entscheidung zugunsten der europäischen Integration nach sich zöge. Nur ein vereintes Europa ist zugleich interessiert und imstande, der russischen Wirtschaft die notwendigen administrativen und technologischen Impulse zu verleihen und eine langfristige Integration im Bereich der Hochtechnologien, einschließlich des Verkaufs dieser Technologien, sicherzustellen.
    Natürlich hat die EU an einer solchen Integration kein originäres Interesse. Es sind vielmehr komplexe Anstrengungen vonnöten, um die richtigen Pakete zu schnüren und Junktims herzustellen, die auch Rohstofffragen sowie humanitäre und militärische Aspekte mit einschließen. Treibt man diese Bemühungen richtig und konsequent voran, ist ein wirklicher, langfristiger Erfolg in Richtung Integration möglich.
    Namentlich die 400 Millionen Europäer können für Russland mit seinen 140 Millionen Einwohnern die erforderliche kritische Masse an gebildeten Menschen mit der entsprechenden Kultur und den entsprechenden Bedürfnissen sein, um ein gemeinsames globales Zentrum zu etablieren und ein Umfeld zu schaffen, das einer harmonischen Entwicklung förderlich wäre.
    Wenn sich weitere Teile der westlichen Zivilisation ( USA , Kanada, Australien und andere) diesem Zentrum zugesellen, garantiert dies das notwendige Maß an Einfluss in der Welt, um einen Dialog mit anderen zivilisatorischen Zentren über unterschiedlichste Probleme »auf Augenhöhe« führen zu können, ohne dabei in ein primitives und reichlich schädliches nukleares Kräftemessen zurückzufallen.
    Einige Worte zur Demokratie. Es hat sich so ergeben, dass der Begriff »Demokratie« bei uns inzwischen skeptisch und das Wort »Demokrat« gar als Schimpfwort aufgefasst werden.
    Ich denke, dass der Mythos, der um diese politische »Marke« herum geschaffen wurde, nicht nur für die Wahrnehmung der praktischen Ziele und der sich in Russland tatsächlich vollziehenden Prozesse hinderlich ist, sondern auch insgesamt Verwirrung stiftet, wenn es darum geht, die Positionen der Gegenspieler zu begreifen.
    Das, was in den Auseinandersetzungen um die Demokratie bei uns normalerweise zur Sprache kommt, nämlich dass Personen, die zwar flammende Reden vor einer Menschenmenge halten, aber nicht dauerhaft anspruchsvolle Verwaltungsaufgaben wahrnehmen können, für führende Staatsämter kandidieren, heißt eigentlich anders: Populismus – und der steht tatsächlich nicht für Demokratie, sondern hat in starkem Maße bei der Entstehung vieler autoritärer Regime eine Rolle gespielt. Einige dieser Regime konnten sich später stabilisieren, andere nicht, je nach den Fähigkeiten des Populisten selbst und /oder seines Umfelds.
    Ein stärker intellektuell geprägtes Milieu identifiziert Demokratie mit allgemeinen Wahlen, betrachtet sie jedoch gleichzeitig als das Recht der breiten Masse, sowohl die Tagesordnung als auch konkrete Ziele und die Methoden, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen, zu bestimmen.
    Auch hier haben wir es mit einem Trugschluss zu tun, der auf dem irrtümlichen Versuch beruht, den Begriff, ohne ihn im Kern zu erklären, von der Mikro- auf die Makroebene, das heißt von der Ebene einer kleinen Siedlung, wo im Grunde jeder jeden kennt, auf die Ebene eines riesigen Landes zu übertragen. In solchen Diskussionen wird schließlich gern die Ochlokratie, also die direkte Einflussnahme eines unwissenden Subjekts auf ein ihm unverständliches Verwaltungsobjekt, mit offensichtlich unvorhersehbaren, in jedem aber Fall unerfreulichen Konsequenzen, als Demokratie verkauft.
    In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat es bei den großen Anarchisten (Bakunin und anderen) durchaus Versuche gegeben, eine theoretische Begründung für die These zu liefern, dass auch auf der Basis dieser Form der Entscheidungsfindung eine vernünftige Verwaltung möglich ist; diese Versuche wurden in der administrativen Praxis jedoch verworfen.
    Wenn wir also über moderne Demokratie reden, so meinen wir damit ein kompliziertes und komplexes System der staatlichen Verwaltung. Einige ihrer Elemente, wie das Primat des Rechts zum Beispiel, sind

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