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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Management-Modells – und zwar des größten dieser Modelle, das aber im Vergleich zu denen, die sich in Wirtschaft und Gesellschaft finden, sehr archaisch war. Ich habe selbst einige Zeit innerhalb dieses Modells gearbeitet: 1990 bis 1991 in der Silajew-Regierung, und unter Gaidar bei Wladimir Lopuchin, der damals Minister für Brennstoffe und Energiewirtschaft war. Für meine allgemeine Entwicklung und mein Verständnis der damaligen Vorgänge war das sehr nützlich, aber atmosphärisch fand ich es eher beengend.
    Liberal-Etatist
    Ich bin nicht der Meinung, dass Wirtschaft und Politik in Russland stärker miteinander verflochten sind als in vielen anderen Ländern vor einigen Jahrzehnten. Die Stabilität des Eigentumsrechts ist bei uns natürlich geringer, und deshalb sind die Möglichkeiten für »Umverteilungen« umfassender, auch in ihrer praktischen Umsetzung – mehr aber auch nicht. Die grundlegenden Modelle und Verfahren stimmen überein. Natürlich geht es bei uns rauer zu, aber im Großen und Ganzen ist das nichts Besonderes. Ein ganz gewöhnliches autoritäres Land.
    In den Jahren der Perestroika habe ich keinerlei spezielle Unterstützung genossen. Es gab so wenig aktive Vertreter der neuen Wirtschaftsstruktur, die zudem bereit waren, langfristig und groß angelegt zu handeln, dass jeder andere dieselben Ergebnisse hätte erzielen können.
    Natürlich waren Kontakte als Element der »Strategie nach außen« wichtig, darum kümmerten wir uns intensiv. Meine Stellvertreter waren allein mit diesem Thema eigentlich völlig ausgelastet. Sie hatten dafür mehr Talent als ich: Newslin, Surkow, Dubow. Meine Rolle war eher eine repräsentative. Abgesehen davon war es teilweise interessant zu sehen, was da ablief, teilweise aber auch reine Ideologie: Die eigenen Leute wurden ganz direkt und offen unterstützt, weil man das eben so machte, man verteidigte die eigenen Ansichten.
    Ich bin im Grunde ein Liberal-Etatist. Ein Oxymoron. Eben das war der Grund, weshalb die Gaidar-Leute und ich uns trennten. Ich respektierte sie zwar, war und bin selber aber für eine aktivere Rolle des Staates (insbesondere in der Industriepolitik). Natürlich nur unter unseren konkreten historischen Bedingungen. Letztlich fand ich deshalb auch eine gemeinsame Sprache sowohl mit dem Kommunisten Juri Masljukow als auch mit dem Konservativen Jewgeni Primakow und dem gemäßigten Liberalen Wiktor Tschernomyrdin. Dass ich in der Silajew-Regierung mitarbeitete, hatte einige objektive Gründe. Der erste war meine Neugier und der Wunsch, dahinterzukommen, wie die Regierungsarbeit funktionierte, die Leute dort kennenzulernen. Der zweite war mein jugendlicher Idealismus, die Vorstellung, dass ich durch meine Mitarbeit meinem Land helfe, und der dritte mein ebenso jugendliches Streben nach einem »Status«.
    Für das Unternehmen konnte ich damals keine signifikanten Vorteile »mitnehmen«. Eher war es so, dass meine lange Abwesenheit dazu führte, dass wir beinah die Bank verloren hätten. Sie stand am Rande der Pleite. Als mir 1992 klar wurde, dass ich bei der Regierung nicht mehr erwünscht war, war das für mich eigentlich eher eine Erleichterung. Obwohl es mich auch kränkte, das will ich nicht verhehlen.
    Das Verhältnis zur Macht
    Ich kann nicht sagen, dass wir in dieser Hinsicht etwas Besonderes dargestellt hätten.
    Es stimmt, dass wir zu Beginn der neunziger Jahre von uns aus gegangen sind und die besten Leute aus der Regierung mit in die Wirtschaft genommen haben, aber nicht, weil wir dachten, dort mehr Geld zu verdienen. (Wir sind schließlich keine Idioten: Wie und wie viel man innerhalb des Machtapparats verdienen konnte, davon hatten wir eine ziemlich genaue Vorstellung.)
    Es gab drei Probleme: Zum einen funktioniert die Staatsmacht anders. Intrigen spielen dort eine sehr wichtige Rolle. Längst nicht jeder leistungsstarke Unternehmer ist auch ein leistungsstarker Beamte. Zum anderen beansprucht in der Wirtschaft niemand den Platz eines anderen, den dieser zu Recht besetzt (aufgrund seiner Leistung), und niemand braucht einem anderen seinen Platz wegzunehmen. Jeder kann sich einfach nebenan einen neuen Platz schaffen. Im Machtapparat herrscht ein ständiger Kampf ums Überleben (aber nicht um mehr Leistung), und zwar unter den eigenen Leuten, unter Freunden und Gleichgesinnten. Das ist unangenehm. Und drittens bedeutete die Wirtschaft (damals jedenfalls) Freiheit. Man war sein eigener Kopf. Ich war bereit, Jelzin zu dienen, aber

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