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Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis

Titel: Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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nicht Leuten, die offensichtlich schwächer waren als ich. Und gegen sie zu intrigieren – siehe Punkt zwei.
    Wir sind also gegangen. Was natürlich ein Fehler war. Unser größter Fehler. Davon habe ich schon gesprochen. Wir bauten die Industrie wieder auf zu einer Zeit, als man das Land, die Gesellschaft hätte aufbauen müssen. Mit meinen 30 Jahren hatte ich nicht genug Grips, um das zu begreifen. Wir dachten, die schaffen das auch ohne uns.
    Man hört immer wieder von den luxuriösen Empfängen, die Menatep angeblich für hochrangige Persönlichkeiten auf der Rubljowka gegeben haben soll. Da verwechselt man uns offenbar mit Dmitri Selenins Mikrodin oder Boris Beresowskis Logowas. Bei denen liefen solche Veranstaltungen regelmäßig. Sogar ich wurde einige Male eingeladen. Unser Stil war anders. Wir fanden Gleichgesinnte in der Politik und unterstützten sie offen. Gleichzeitig habe ich mit bestimmten Leuten wirklich nicht gern zu tun, und ich bin nicht gewillt, mich mit Leuten zu arrangieren, deren Ansichten mir fremd sind. Ob es besser gewesen wäre, wenn ich diesen Teil der Arbeit selbst erledigt und sie nicht den Kollegen übertragen hätte? Ich weiß es nicht. Vielleicht wäre dann alles viel früher vorbei gewesen. Ich bin einfach so gar kein Abramowitsch oder Fridman. 62
    Für mich gehört der Luxus der menschlichen Kommunikation zu meinen Prioritäten, und ich bin ein ziemlich direkter Mensch. »Byzanz« ist nicht meine Sache, lügen mag und kann ich nicht. 63 Höflichkeit – ja. Selbst meinen Feinden gegenüber. Aber die Menschen spüren immer, wie groß meine Achtung vor ihnen wirklich ist. Außerdem bin ich stur. Im Großen und Ganzen konnte ich im Umgang mit der Regierung nur Schaden anrichten. Deshalb mischte ich mich da auch nicht ein. Besonders, nachdem Putin an die Macht kam.
    Und die russische Tradition, Probleme in der Sauna zu lösen? Mir persönlich ist das nicht untergekommen. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, wie sich der Chef eines Großunternehmens mit dem seiner Ebene entsprechenden Bundesbeamten in der Sauna trifft und dort Probleme löst. Vielleicht ist das inzwischen ja anders, aber vor zehn Jahren war dieser Stil eher den ehemaligen Banditen in ihren himbeerroten Jackets und den kleinen Beamten vorbehalten, die mit ihnen zusammenarbeiteten. Stellen Sie sich nur einmal vor, wie ich mit Wiktor Geraschtschenko oder Jewgeni Primakow oder auch Anatoli Tschubais eine Besprechung in der Sauna abhalte. Das ist doch lächerlich, ganz ehrlich.
    Natürlich gibt es die Tradition der Sauna-Treffen – aber mit Freunden. Bei uns in Jablonewy Sad gab es auch eine russische Sauna, wo wir manchmal zusammenkamen, um zu entspannen. Aber Arbeitsbesprechungen, selbst informelle mit den eigenen Leuten, hielt ich lieber nach Protokoll ab, um keine Unklarheiten aufkommen zu lassen.
    Was die Beamten und ihre Korruptheit angeht, da waren die, die mit uns zu tun hatten, im Vergleich zu heute »Puritaner«. Mit den anderen, den ganz Abgefeimten, brachen wir den Kontakt ab. Der Grund war klar: 1998 hatten wir begonnen, internationale Transparenzstandards anzusteuern. Damit man uns vertraute, mussten wir päpstlicher als der Papst werden. Vor 1998 waren andere Interessen im Spiel gewesen, die mit direkter, plumper Bestechung jedoch wenig zu tun hatten. Obwohl wir den »Korruptionsmarkt« in jedem einzelnen Jahr gut kannten. Eben deshalb konnte ich im Gespräch mit Putin im Februar 2003 so sicher auftreten. Von dem Vorwurf, dass »wir das alles selber angefangen« hätten, wollte ich mich nicht freisprechen, weil ich mich keineswegs vollkommen unschuldig fühlte. Aber wenn ich ehrlich bin, waren wir unschuldiger als die Mehrheit, und im Gegensatz zu vielen anderen brachen wir wirklich die Beziehungen ab, wenn jemand offensichtlich Geld für die eigene Tasche verlangte und nicht etwa für politische oder ähnliche Zwecke. Ich will nicht behaupten, dass nie einer von unseren Leuten mal jemandem etwas zugesteckt hat. Das kam sicher vor, aber da ging es nicht um Summen, die auf der Chefetage eines Unternehmens etwas entscheiden konnten.
    Zweifellos verfügte ich über erhebliche Mengen exakter Informationen. Und zweifellos wusste ich, wovon ich Putin gegenüber redete und was ich riskierte. Die Psychologie der Silowiki durchschaute ich allerdings nicht so ganz – das war eben nicht mein Arbeitsbereich. Es war ein genau abgewogenes Risiko, über dessen Konsequenzen ich mir nicht ganz im Klaren war. Ein

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