Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Vermögensverwaltungsunternehmen mit Sitz in Genf […] hielt später den Schlüssel zum Vermögen der Menatep - Gruppe in der Hand – durch den Besitz von Anteilen über Nominee-Eigentumsmodelle und den Transfer von gewaltigen Geldsummen über das eigene Netzwerk.« Weder Michel noch seine ausländischen Partner kommentieren das. Über den Beginn der Zusammenarbeit mit Chodorkowski und seinem Team berichtet Michel aber sehr wohl: »In der ersten Zeit machte ich Geschäfte mit den Apparatschiks. Viele von denen waren eher unterbelichtet: körperlich untersetzt und intellektuell verkümmert. Sie leiteten riesige Konzerne, wo ihre einzige Aufgabe darin bestand, die Produktion am Laufen zu halten. Oft waren sie derb und tranken viel. […] Große Bewunderung konnte man nicht für sie aufbringen. Sie hatten öde Jobs.
Und da treten plötzlich diese jungen Leute in Jeans auf den Plan, die sagen, sie würden das System verändern. Ein Schock […].
Ich brachte ihnen bei, was eine Kreditkarte ist und wie man ein Scheckheft benutzt«, so Michel. Als sie das erste Mal nach Genf in die Valmet-Büros kamen, logierten sie in Michels Apartment. »Anfänglich waren sie so knapp bei Kasse, dass sie sich nicht einmal ein Hotel leisten konnten«, sagt er. »Chodorkowski und Newslin kamen mehrere Male. Mit jeder Reise wurde es ein Stück besser. Zuerst war es meine Genfer Wohnung, dann war es ein preiswertes Hotel und schließlich eine Suite im Fünf-Sterne-Hoteldes Bergues.« Dann kam der Unterricht zur westlichen Geschäftspraxis, der mit dem Banking begann und später sogar um Beratungen zu zukünftigen Möglichkeiten in der Ölindustrie erweitert wurde. »Ich habe zwei Wochen in Budapest damit verbracht, das gesamte Personal zu schulen […], ihnen in den grundlegenden Einzelheiten zu erklären, wie eine Bank funktioniert«, erinnert sich Michel. »Ich brachte ihnen bei, wie man eine Bilanz liest, wie eine Revision durchgeführt wird, wie interne Kontrollmechanismen installiert werden und wie man Kreditmöglichkeiten schafft. Es war ein Banking-Crash-Kurs für Anfänger. Sie lernten schnell«, sagt er.
Bald schon bewegten sich Michels Kunden, die Menatep-Bank und andere, weiter in Richtung komplizierterer Transaktionen und reizten das westliche System bis an seine Grenzen aus. »Diese neu gegründeten Unternehmen hatten keine Ahnung von westlichen Geschäftspraktiken und wer die Akteure waren. Eine der allerersten Transaktionen […] war etwas völlig Verrücktes. Nicht, dass es nicht rechtmäßig gewesen wäre. Es war einfach etwas, das nicht ging«, weiß Michel zu berichten. »Wir sagten ihnen, dass Arthur Andersen – meine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – das nicht genehmigen würde, und darauf bekamen wir einen Brief von ihnen, worin stand ›Könnten Sie Herrn Andersen bitte sagen …‹ Sie hatten keine Ahnung.« 78
Michail Brudno: »Was Christian Michel uns sagte … Weißt du, das war so, wie wenn dein Vater dir etwas sagt und das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus, 30 Jahre später fällt es dir aber wieder ein. Wir begriffen rein gar nichts von dem, was er uns sagte. Das fügte sich nirgendwo ein, denn wir hatten überhaupt keine Grundlagen. Es waren interessante Vorträge, aber man kann wahrlich nicht behaupten, dass uns das die Augen geöffnet hätte und wir Bankiers geworden wären. Wann wir Bankiers geworden sind? Das war zu dem Zeitpunkt, als Rosprom geboren wurde, zu Beginn der Privatisierung. 79 Damals hatten wir das Bankgeschäft schon irgendwie durchschaut, wir hatten verstanden, wie das funktionieren musste.«
Leonid Newslin: »Mit der Finanzierung von Handelstransaktionen kannte sich Brudno sehr bald aus, er konnte als Kreditfachmann arbeiten, als Leiter für Handelstransaktionen. Lebedew hatte immerhin schon als Finanzfachmann gearbeitet, wenn auch nur im sowjetischen Rahmen. Ich fand mich in der Öffentlichkeitsarbeit des Finanzsektors ziemlich schnell zurecht und konnte schon bald als Vize für PR-Fragen bei der Bank arbeiten. Ehrlich gesagt, bedauere ich es heute noch manchmal, dass ich nicht bei der Bank geblieben bin. Ich denke nach wie vor, dass es für Leute, die nicht auf Popularität aus sind, sondern ein interessantes Leben und einen guten Einfluss auf andere Menschen im weiteren Sinne des Wortes suchen, nichts Besseres gibt als eine Bank. Das sind doch die wahren Haie des Kapitalismus. Aus meiner Sicht.«
8 Rue de la Paix
So paradox es klingt, die
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