Mein Weg - Ein politisches Bekenntnis
Inflation, das Spiel mit den Unterschieden zwischen den Kreditzinsen und den Zinsen, die die Banken für ihre eigenen Verbindlichkeiten zu zahlen hatten, Geschäfte mit Bargeld, das Spiel mit den Kursunterschieden – all das machte das Bankgeschäft in dieser Zeit so überaus lukrativ.
Alexander Smolenski: »Wir haben doch alle auf die gleiche Weise verdient: durch die Kursunterschiede … Erinnerst du dich, was für eine Inflation wir hatten? Und die Umwandlung in Bargeld! Was haben wir nicht alles gemacht! Mir läuft richtig ein Schauer den Rücken hinunter, wenn ich mich daran erinnere. Jedenfalls sind wir durchgekommen … Aber, du wirst es kaum glauben, die sowjetischen Gesetze haben wir gelesen. Die hatte einfach nie jemand gründlich gelesen. Aber wenn du dir so eine Vorschrift mal zur Hand nimmst, siehst du, dass es da so viele Schlupflöcher gibt, durch die sich Geld verdienen lässt … Früher konnte man das einfach nicht nutzen. Du erinnerst dich doch, es gab ein Bargelddefizit. Und es gab die Zertifikate der Sberbank, bis zu 25000 Rubel. Das waren solche Scheinchen. Du nimmst dir also ein Zertifikat, um kein Bargeld herumschleppen zu müssen, das kannst du dann in jeder Filiale der Sberbank der UdSSR landesweit einlösen. Die Kooperativen hatten das Recht, für den eigenen Bedarf Wertpapiere zu kaufen. Ausgezeichnet! Wir haben unserer Kooperative Kredit gewährt. Die hat dann in ihrem Namen Buchgeld an die Sparkassen überwiesen. Irgendwohin in die Pampa, ganz egal. Wir sind mit dem Flugzeug dort hingeflogen und mit Säcken voller Zertifikate (also quasi schon mit Bargeld) wieder zurück nach Moskau. Und so haben wir 20 bis 30 Prozent verdient. Und du fragst: Warum eine Bank? Was das für Profite waren! Bis zu 1000 Prozent Rendite haben wir gemacht – mit der Umwandlung in Bargeld, mit den Kursunterschieden und der Inflation. Das Geld verlor schließlich an Wert.«
Menatep hatte tatsächlich die Erlaubnis erhalten, Geldmittel des Finanzministeriums, des Staatlichen Steuerdienstes und später auch des staatlichen Rüstungsexport-Unternehmens Roswoorushenije zu betreuen. Es gab aber auch noch andere Privatbanken, die die Konten staatlicher Strukturen verwalteten.
Michail Brudno: »Alle hatten Konten staatlicher Unternehmen. Es gab keine staatliche Struktur, die nur bei unserer Bank ein Konto unterhalten hätte. Wir waren für niemanden eine Bank mit Exklusivrechten. Es gab keine Operationen, zu denen nur eine Bank oder auch zwei, drei Banken bevollmächtigt gewesen wären. Natürlich waren wir an diesen Konten interessiert. Der Staat ist einer der größten Kunden. Und besonders damals, Anfang der Neunziger, hatte der Staat das meiste flüssige Geld. Das bedeutete solide Passiva für die Bank. Großexporteure waren auch eine Quelle großer Passiva für die Bank. In Amerika, da kamen die größten Passiva einer Bank aus privaten Geldern. Wir aber hatten damals kein privates Geld in diesen Mengen. Deshalb waren wir von Anfang an auf Unternehmen ausgerichtet.«
Harvard im eigenen Haus
Die ersten russischen Großunternehmer waren sehr verschiedene Leute, aber eines gab es, was sie verband. Sie waren alle Workaholics. Sie vertrauten vor allem sich selbst und kannten sich bis zu einem bestimmten Punkt mit allen geschäftlichen Details aus. Alles, was ihnen an Kenntnissen zu geschäftlichen und finanziellen Fragen noch fehlte, eigneten sie sich nach und nach selbst an.
Glaubt man den Augenzeugen, dann wussten weder Chodorkowski noch sein Team, als sie mit der Bank anfingen, allzu genau, was eine Kreditkarte oder ein Scheckheft ist. Zu diesem Zeitpunkt machten sie aber bereits einen Jahresumsatz von rund zehn Millionen Dollar (etwa 80 Millionen Rubel). Die Gründung einer Bank war die logische Fortsetzung ihrer Geschäftstätigkeit. Es fehlte nur eine Kleinigkeit: Man musste rasch ein Finanzexperte werden. Sie fuhren nicht nach Harvard. Dafür war keine Zeit. Die Universität kam zu ihnen, genauer gesagt, in ein schäbiges Zimmer im Hotel Ukraina, das die Jungs extra für diese Begegnung angemietet hatten, da ihr eigenes Büro damals noch schlimmer aussah als dieses schäbige Zimmer in dem stalinistischen Hochhaus. So begann 1989 ihre Bekanntschaft, die später durch gemeinsame geschäftliche Aktivitäten gestärkt werden sollte, mit Christian Michel, dem Gründer der Valmet-Gruppe. Catherine Belton, Korrespondentin der Financial Times in Moskau, meint dazu: »Valmet, ein global agierendes
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