Mein Weg mit Buddha
Westen schon seit Omas Zeiten. Alles klar!
Diese Selbstverantwortlichkeit gefiel mir sofort. Mein Schicksal liegt in meiner Hand, ist nicht bloß »Kismet«, wie ich es in Indien gelernt hatte. Und auch Gott ist logischerweise endgültig raus, ebenso wie das »Bodenpersonal« der Kirche. Damit hatte ich nämlich bisher auch im Buddhismus ein Problem: Solange es Mönche gibt, die in Klöstern und Tempeln für andere beten, ist das doch das Gleiche wie in der christlichen Kirche! Oder im Judentum. Oder im Islam – de facto sowieso alles dasselbe! Man zahlt Kirchensteuer oder spendet. Man füttert die Institution Kirche oder einzelne Auserwählte, die dann für einen beten. Man erkauft sich sein Seelenheil. In krasser Form waren das wohl die Ablassbriefe zu Luthers Zeiten.
Jetzt aber ergab das Konzept für mich einen Sinn: Ich kann niemandem meine Probleme aufhalsen und ihm die Verantwortung für mein Leben übertragen, weder Gott noch einem Priester, der für mich betet. In meinem tiefsten Inneren spürte ich damals, dass ich dem auf der Spur war, wonach ich bisher vergeblich gesucht hatte: einem Glauben oder einer Philosophie, die alltagstauglich ist, die mit allen Aspekten des täglichen Lebens kompatibel ist. Die mich nicht fremdbestimmt.
»Alles schön und gut«, versuchte ich meine tanzenden Gedanken auf den Punkt zu bringen, »gute Taten – gute Auswirkungen. Aber kann man tatsächlich nur durch das Chanten etwas bewirken? Ich weiß nicht …«
»Doch«, entgegnete D. im Brustton tiefster Überzeugung. »Was du beschreibst, ist äußerlich, rational. Das Chanten ändert deinen grundlegenden Lebenszustand und damit wirst du automatisch richtig handeln. Wenn du dich nur auf ›gute Taten‹ verlässt, um gute Wirkungen zu erhalten, bist du dem christlichen ›Belohnungsprinzip‹ wieder ganz nah! Und darum geht es nicht: Das ist äußerlich und rational. Nur durch das Chanten veränderst du etwas in der Tiefe deines Lebens – und das kann auch jemand, der weniger intellektuell daherkommt als du.« Auf meine hochgezogene Augenbraue hin erwiderte sie dann noch: »Entschuldigung, aber es ist eben so. Und das ist das Einzige in diesem Buddhismus, das du glauben musst. Alles andere ist beweisbar. Chante einfach, dann wirst du sehen …«
Puh … das war zu diesem Zeitpunkt wirklich ein bisschen viel für mich, mich einfach hinzusetzen und diesen komischen Satz aufzusagen. Und warum eigentlich, wenn ich das überhaupt tue, nicht in meiner eigenen Sprache? Das war nicht mein Ding. »Ich werde darüber nachdenken«, wiegelte ich ab, »und apropos ›chanten‹ – ich geh’ mich jetzt einsingen.« Damit beendete ich die Diskussion, bedankte ich mich artig für den Crashkurs in angewandtem Buddhismus, und das war’s. Weitere Gespräche ergaben sich nicht. Irgendwie erinnere ich mich noch daran, dass D. sagte: »Macht nichts. Das ist wie ein kleines Samenkorn. Es war meine Aufgabe, es zu säen. Deswegen sind wir uns hier begegnet. Und irgendwann – vielleicht noch in diesem Leben – wird es aufgehen.« Zum Abschied drückte sie mir ein kleines grünes Heftchen in die Hand, die Einführung in den Buddhismus Nichiren Daishonins mit ihrer persönlichen Widmung: »Nur Mut«.
Da ich in dieser Phase meines Lebens allerdings keine Notwendigkeit für einen karmischen Hausputz sah, vergaß ich die Begegnung mit D. schnell wieder. Das grüne Büchlein wanderte in die Umzugskiste – ich war gerade dabei, meine neue Dachwohnung in Wien zu beziehen – und verschwand zwischen Dethlefsen, Hesse, Kübler-Ross, Shirley MacLaine und all den anderen.
Ich war nicht scharf auf Veränderungen. Mein Leben war toll! Ich hatte genug Geld, freute mich auf die neue Wohnung, die ich ganz für mich allein haben würde, und schob kleine Alltagsquerelen wie gewohnt auf die Seite. Ich machte, was ich wollte und was mir gerade Spaß machte, und ließ andere, meistens Männer, »gentlemanlike« die Verantwortung tragen. Ich hatte keinen blassen Schimmer, dass das Thema ›Verantwortung‹ in meinem späteren Leben einen Logenplatz einnehmen sollte – und dass es mich jede Menge Kraft kosten würde, dieses spezielle karmische Thema zu überwinden.
Heute weiß ich, dass jene Zeit in Wien, so saugemütlich sie sich auch anfühlte, eine Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs war, dass in mir eine Unzufriedenheit über das Leben, das ich gewählt hatte, kochte, und dass ich permanent, wenn auch unbewusst, Ursachen setzte, um etwas zu
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