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Mein Weg mit Buddha

Mein Weg mit Buddha

Titel: Mein Weg mit Buddha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Kruse
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unserer ansonsten cremeweißen »Puppenstube« unterm Dach.
    »Was ist denn das für ein Ding?«, wollte ich wissen.
    »Ein ›Butsudan‹, so eine Art Schrein, in dem der ›Gohonson‹ aufbewahrt wird. Das ist eine Schriftrolle, die das Gesetz des Universums enthält. Ich werde so einen Gohonson demnächst bekommen«, verkündete mein Liebster voller Vorfreude.
    »Und dann?«
    »Dann werde ich davorsitzen und chanten.«
    »Das ist jetzt nicht dein Ernst!«, empörte ich mich. »Ich verstehe ja, dass dieser Satz, den du vor dich hinsagst, dir hilft, dich auf das Universum zu konzentrieren und dein Leben in Bewegung zu bringen. Aber du willst mir doch jetzt nicht erzählen, dass du in Zukunft stundenlang in eine Kiste gucken und ein Stück Papier anbeten wirst?« Ich war ziemlich aus dem Häuschen. Das ging mir dann doch echt zu weit.
    Der Liebste blieb erstaunlich gelassen, vielleicht hatte er meine Reaktion erwartet.
    »Das ist ein Symbol«, sagte er.
    »Du meinst wie das Kreuz in der Kirche? Das ist ganz bestimmt nicht mein Ding!«
    »Lass mich doch ausreden, merde!«, ereiferte er sich, »diese Worte wurden von jemandem niedergeschrieben, der einen ganz hohen Lebenszustand hatte, also schon ›erleuchtet‹, im Buddhazustand war. Somit ist das nicht nur ein Text auf Papier, sondern der Gohonson an sich ist dadurch im Zustand der Buddhaschaft. So wie alle Dinge in diesem Universum die Buddhaschaft besitzen. Ob diese gerade sichtbar ist oder nicht, ist egal. Sie ist da. Tout simple!«
    Jetzt hatte ich ein Problem! Also doch ein Objekt der Anbetung! Wie diese ganzen Buddhastatuen und Götterfiguren für alle Lebenslagen, wie man sie in Indien und vor allem in China findet. Irgendwie hatte ich plötzlich auch das Goldene Kalb aus der Bibel vor meinem geistigen Auge. Also doch etwas außerhalb von einem selbst! Das ging mir gewaltig gegen den Strich.
    »Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, mein Schatz«, lenkte mein Liebster ein, »versuche bitte nicht, es mit dem Verstand zu begreifen. Ich kann dir nur eines sagen: Der Gohonson ist kein Objekt, das wir ›anbeten‹, sondern wir konzentrieren uns auf den Buddhazustand in uns selbst, indem wir ihn anschauen.«
    »Hm …« Irgendwie war ich unzufrieden.
    »Weißt du was?«, sagte mein inzwischen etwas ungeduldig gewordener Franzose (man muss wissen, dass diese Konversation in einem Mischmasch aus Englisch, Französisch und ein bisschen Deutsch geführt wurde. Das war ziemlich mühsam!). »Ich möchte gerne, dass du M. kennenlernst. Sie organisiert diese Versammlungen, zu denen ich hin und wieder gehe. Am Samstag ist die nächste. Komm einfach mit. Und lass dir von M. alles erklären, was du wissen willst.« Und grinsend fügte er hinzu: »Erstens ist sie viel geduldiger als ich, zweitens ist sie eine Frau und drittens ist ihr Englisch in diesem Themenbereich um einiges besser. Ich glaube, sie hatte sogar einmal Deutsch in der Schule.«
    M. war eine sympathische Frau Ende 40, in deren Apartment im vornehmen Seizième Arrondissement die Versammlungen stattfanden. Ein unglaublich positiver Mensch. Sie schien dauerglücklich zu sein. Keine Ahnung, warum. War das die buddhistische Praxis? Aus allem, was ihr begegnete und was sie wahrnahm, machte sie Liebe. »Das Leben mit Liebe betrachten« war ihr Credo. »La pratique a changé ma vie – das Chanten hat mein Leben verändert!«, strahlte sie mich an und bei ihrem breiten herzlichen Lächeln wurden ihre Viertel-Chinesen-Augen noch ein bisschen schmaler …
    Anfänglich musste ich mich ganz schön anstrengen, um überhaupt folgen zu können. Viele der Anwesenden waren Japaner, und wenn diese Französisch sprechen beziehungsweise das, was sie dafür halten, hat man als Ausländer wenig Chancen! Dennoch habe ich schnell kapiert, dass es primär gar nicht darum geht, etwas zu verstehen. Das wurde mir anhand von ganz banalen Beispielen schnellstens klargemacht, unter anderem mit der folgenden Situation: Ich lasse eine Gabel zu Boden fallen. Sie fällt, ob ich das will oder nicht. Das ist Schwerkraft. Auch wenn ich nicht an Schwerkraft glaube, die Gabel fällt. Ein weiteres Beispiel ist Einsteins Relativitätstheorie. Wer von uns kann schon behaupten, dass er sie versteht? Dennoch ist sie existent. Der Relativitätstheorie ist es wurscht, ob wir an sie glauben, sie bewirkt trotzdem, dass das Universum so und nicht anders funktioniert. Es leuchtete mir auch ein, dass das gemeinsame ›Chanten‹ eine besondere Kraft besitzt

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