Mein Weg mit Buddha
Glück mit unsterblichen Werten. Ich hatte nur keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte.
Im Hintergrund stand mein »besseres, weiseres Ich« bei Fuß, bereit, durch eine Tür zu gehen, die im Grunde schon jahrelang offen stand. Und ich sehnte mich ernsthaft nach einem Menschen an meiner Seite, mit dem ich meine Lebensphilosophie teilen konnte. Ich war stolz auf all das, was ich wusste, die tollen Bücher, die ich besaß, auf das, woran ich glaubte – beziehungsweise zu glauben glaubte. In erster Linie waren all diese Einsichten jedoch Theorie. Ich wollte mein Wissen gerne anwenden, darüber sprechen, es praktizieren. Ich wollte mich mit jemandem austauschen und mich gemeinsam mit ihm entwickeln.
W. war ein solcher »jemand«. Wir führten viele tief greifende Gespräche, schwammen auf einer Wellenlänge. Irgendwie verliebten sich unsere Seelen ineinander. Doch im realen Leben sollte es wohl einfach nicht sein. Diese Begegnung war ein weiterer Schritt auf dem Weg zu dem, was ich heute bin. Ein wichtiger Schritt. Auch eine erste Erfahrung mit Verlust und Schmerz. Und der Versuch zu verstehen, da diese Trennung so sinnlos schien, war sie doch von uns beiden nicht gewollt. Im Nachhinein betrachtet war sie dennoch sinnvoll. Wir haben beide das Leben gelebt, das für uns am richtigsten war. Und ein gemeinsames Leben wäre das nicht gewesen. Das ist das tiefere Verständnis für die Natur der Dinge. Meistens dauert es jedoch elendslang, bis man dahinterkommt, warum es nur so richtig war und nicht anders.
Dass W. heute noch ein guter und wichtiger Freund ist und beständig einen Platz in meinem Herzen hat, zeigt mir, dass das, was wir damals »gepflanzt« haben, tatsächlich in gewisser Weise spiritueller Natur war. Es ließ zwischen uns eine Verbundenheit entstehen, die Zeit, Beziehungen, Ehen und manche Stürme in unser beider Leben überdauert hat. Liebe im altruistischen Sinn, ohne Anspruch. Etwas Einzigartiges und Wunderbares.
Die dunkle Wolke Nummer zwei betraf das Thema Verlust durch Tod. Die erste Begegnung in meinem bisher ach so unbeschatteten Leben:
K., meinen Gesangslehrer in Wien, liebte ich nicht nur dafür, dass er mit einer neuen revolutionären Technik innerhalb von zwei Jahren meine Stimme bahnbrechend umgekrempelt hatte, sondern auch dafür, dass er immer positiv war, ein wahrer Sonnenschein und der beste Tänzer aller Zeiten. Meine Tanzkarte für die Wiener Ballsaison gehörte ihm allein. Da er Männer doch ein bisschen mehr liebte als Frauen, waren auch die Fronten von Anfang an klar und ich habe ihn herrlich entspannt fest in mein Herz geschlossen. K. bereitete mich auf den schweren und sauungemütlich hohen Part der Polly in Kurt Weills Dreigroschenoper vor. Dreimal die Woche kämpfte ich mich mit meinem Professorfreund durch Partitur und Vokalisen. Eines Tages wurde K. krank. Er bekam Schnupfen, Grippe, Lungenentzündung – in wechselnder Abfolge – und erholte sich nicht mehr davon. K. bat mich inständig, mit seiner Lehrerin weiterzumachen, doch ich weigerte mich, sah es doch aus, als würde ich ihn aufgeben. Als er aber gar nicht mehr aus dem Krankenhaus herauskam, unternahm ich – pflichtbewusst an meine Rolle denkend – diesen schweren Schritt. Und als sollte es so sein: Meine neue Lehrerin war ein Geschenk des Himmels.
I. war eine entzückende Frau, nicht größer als eine Parkuhr, aber mit der Power eines Atomkraftwerks. Und immer gut drauf! Sie begleitete mich viele Jahre lang und ich verdanke ihr unendlich viel.
Am Tag der Premiere der Dreigroschenoper bei den Bad Hersfelder Festspielen starb mein Freund K. im Alter von 27 Jahren.
All die Jahre, die ich mit der Lektüre esoterischer Bücher, mit Gesprächen über Buddhismus, das Leben und den Tod verbracht hatte, schienen für die Katz. Der Tod meines Freundes traf mich unvorbereitet. Peng. Und alles Gelesene verschwand im Nirwana. Obwohl ich doch meinte, auf dem richtigen Weg zu sein. Von wegen! Grau ist alle Theorie …
Welch tiefe Verzweiflung damals in mir tobte, zeigt wohl am besten das Gedicht, das ich am Tag nach der Beerdigung für K. geschrieben hatte:
Adieu, mein Freund
Adieu, mein Freund, servus, goodbye …
Warum bist du fortgegangen?
Die Zeit, die du uns gabst, ist nun vorbei,
In unser Leben hast du einen Krater gerissen!
Weißt du, wie sehr wir dich vermissen?
Denk mal an uns auf deiner Reise!
Wir sehnen dich so sehr herbei,
Du fehlst uns so –
Servus, mein Freund, adieu, goodbye.
Auf deinem
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