Mein Weg mit Buddha
materiell. Diese Hatz ist ganz schön erschöpfend – und frustrierend, weil wir uns in diesem Zustand ständig unerfüllt fühlen.
Die Zeit, in der wir leben, trägt wesentlich zu diesem Dilemma bei: Durch das Fernsehen, die Werbung, das Internet, überall, wo unser Auge hinfällt, werden uns Wünsche suggeriert, die wir ursprünglich vielleicht gar nicht hatten. Manch einer kommt durch diese Impulse erst auf die Idee, sein Glück darin zu finden, etwas zu bekommen oder zu erleben, was bisher für ihn in den Sternen lag: Reichtum (kriegen wir ja jede Woche via Lotteriewerbung »Reicher als reich« um die Ohren gehauen), und natürlich Ruhm (der rote Teppich als Ziel aller Wünsche, zu erreichen via Deutschland-sucht-den-Superstar-Germany’s-next-Topmodel-X-Factor-Das-Supertalent et cetera. oder für die weibliche Spezies als Spesenbraut eines Multimilliardärs oder Super-Promis, am besten eines Fußballers).
Apropos Beziehungen: Es ist auch ein Ausdruck des »Hungers«, in welchem Affentempo manche Menschen ihre Partner wechseln, gierig nach dem nächsten neuen Kick. Alkohol und Drogen fallen ebenfalls in diese Kategorie, vor allem Koks, weil es als »schick« empfunden wird in gewissen Kreisen der Lifestyle- und Partyszene – oder, wie sie in Wien heißen, den »Adabeis« 10 – und man ja natürlich dazuzugehören möchte.
Ich kenne das alles sehr, sehr gut. Ich habe da auch eine Zeit lang ziemlich unreflektiert mitgemischt – Drogen ausgenommen! Die waren und sind mir ein Gräuel! Den roten Teppich muss ich persönlich als Bestandteil meines Berufs aus dem Bereich des hungrigen Strebens mal ausklammern. Und doch fällt es ganz schön schwer, sich von den oberflächlichen Eitelkeiten in dieser Branche nicht anstecken zu lassen.
Es ist natürlich unsinnig anzunehmen, dass es für das Streben nach der Erfüllung unserer Begierden und Wünsche einen Rückwärtsgang gäbe. Die »Unschuld« der Unwissenheit haben wir verloren. Ich erinnere mich oft an eine Textpassage der Luise in Schillers Kabale und Liebe , die ich am Theater in Münster spielen durfte. Dieses Mädchen aus einfachsten Verhältnissen begegnet der gegensätzlichen Welt der Oberklasse in Gestalt der Mätresse des Fürsten: Lady Milford. Auf das Angebot, in deren Dienste zu treten, antwortet Luise folgendermaßen: »Sie wollen mich aus dem Staub meiner Herkunft reißen. Ich will sie nicht zergliedern, diese verdächtige Gnade. Ich will nur fragen, was Mylady bewegen konnte, mich für die Törin zu halten, die über ihre Herkunft errötet? Was sie berechtigen konnte, sich zur Schöpferin meines Glücks aufzuwerfen, ehe sie noch wusste, ob ich mein Glück auch von ihren Händen empfangen wolle. (…) So gönnen Sie mir doch eine Blindheit, die mich allein noch mit meinem barbarischen Los versöhnt – fühlt sich doch das Insekt in einem Tropfen Wasser so selig, als wär’ es ein Himmelreich, so froh und selig, bis man ihm von einem Weltmeer zählt, worin Flotten und Walfische spielen.« 11 Luise ist frei von dieser Welt der Begierden, fürchtet aber, einmal in Kontakt gekommen, um ihren Seelenfrieden. Eine wunderbare Stelle in diesem wunderbaren Stück! Eine Aussage, die ich erst zehn Jahre später wirklich verstand. Denn diesmal befand ich mich auf der »anderen Seite« – in der Rolle der Lady Milford. Die große Klarheit von Luises Worten an mich, die Milford, haben mich noch tiefer berührt als damals, als ich selber, jung und unerfahren, die Luise spielte.
War es das, was die Menschen, die mir in Asien begegnet waren, so glücklich und entspannt erscheinen ließ? Das »Freisein« von Wünschen, weil sie diese nicht kannten oder weil sie nicht gewillt waren, ihnen die hohe Priorität einzuräumen, die wir ihnen hier im Westen zugestehen?
An dieser Stelle etwas ganz Wichtiges, damit Sie mich nicht für eine esoterische Spinnerin halten! Ich habe es bereits in den vorangegangenen Kapiteln erwähnt: Im Gegensatz zu einigen früheren buddhistischen Schulen geht es bei der Lehre, die ich mich in meinem Leben umzusetzen bemühe, nicht darum, Begierden auszurotten, zu verleugnen oder zu unterdrücken! Solche Aktionen enden nur in Neurosen und in starken Schuldgefühlen. Womit wir wieder bei der christlichen Kirche wären, speziell denke ich dabei an den Papst … Ein solches Vorhaben funktioniert einfach nicht.
»Begierden sind Erleuchtung«, schreibt Nichiren Daishonin. Ich weiß, das klingt krass. Dieser Satz ist jedoch als Aufforderung
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