Mein Weg mit Buddha
christlichen Glauben als besonderer Ort zu verstehen, der außerhalb von uns selbst liegt und an den wir nach unserem Tod gelangen. Eine Assoziation mit Sartres »Die Hölle, das sind die anderen!« liegt viel näher. Hölle bezeichnet in der buddhistischen Terminologie einen Zustand im Hier und Jetzt, der treffend mit »fundamentaler Dunkelheit« beschrieben wird. Das kann sich vermutlich jeder bildlich vorstellen: Wenn es dunkel ist (und ich meine damit wirklich stockfinster!), turnen wir im Kreis herum. Nach einer Weile bekommen die meisten von uns Angst, erleben ein Gefühl von Klaustrophobie und sind unfähig, sich frei zu bewegen und zu frei zu handeln. Alles klar?
Im übertragenen Sinne bedeutet das: Wir sind gelähmt. Die Situation, in der wir stecken, ist absolut grauenvoll. Wir sind wütend, traurig und hilflos. Unser Zorn und unsere Aggression gegen andere und auch oft gegen uns selbst vergiften unser Leben. Die Negativität hält uns gefangen und nirgendwo am düsteren Himmel unseres Leidens ist ein Lichtstrahl der Hoffnung zu sehen. Wir stecken fest in dieser Hoffnungslosigkeit, die uns immer wieder zuflüstert: »Gib’s auf, das wird sowieso wieder nichts!«, und können ihr nicht entfliehen.
Ein Teufelskreis – egal ob physisch oder psychisch. Unsere Lebenskraft ist auf dem Nullpunkt. Im schlimmsten Fall kann dieser Zustand ein Leben lang andauern, beispielsweise aufgrund einer schweren Krankheit oder einer Existenz in tiefster Armut. Er kann aber auch nur für wenige Sekunden auftreten, zum Beispiel wenn einem eine eklige Spinne über den Arm krabbelt.
Der Zustand der Hölle ist eindeutig der niedrigste von allen Zehn Lebenszuständen oder Welten. Jeder von uns würde ihn gerne vermeiden, das ist aber nicht möglich! Wenn es in meinem Leben so richtig ganz dicke kam – auch ich bin jemand, der sich von der Negativität oft einmal nach unten ziehen lässt –, habe ich es nur mit der buddhistischen Praxis geschafft, wieder mit der Nase an die Oberfläche zu kommen.
Ein Gedicht, das ich in einem solch unterirdischen Lebenszustand geschrieben habe, verdeutlicht mein ganz persönliches Erleben der Welt der Hölle:
depression
bleierner morgen ein
koloss von sorgen
zieht dich träge
durch einen neuen müden tag
herz so schwer
glaubt nicht mehr
an das heute voll neuem licht
der dunkelheit beute
fenster und türen dicht
zwischen immer und nie
lebst du in apathie
betäubt und verloren
als wärest du nie geboren
und draußen vor der tür
wartet ein anderes leben
bereit sich dir hinzugeben
doch du bleibst hier
Bei alledem ist es wichtig, zu verstehen, dass jede der Zehn Welten einen negativen, aber auch einen positiven Aspekt hat. Wenn wir nicht selbst erfahren würden, was Leid ist, würden wir nicht begreifen, was Glück ist, oder wir wüssten es zumindest nicht zu schätzen. Und da niemand gern in der Welt der Hölle weilt, ist sie ein gewaltiger Motor, der uns dazu antreibt, in unserem Leben nach vorn zu gehen. Wir lernen durch unsere oft qualvollen Erfahrungen, Dinge nicht mehr zu tun oder zuzulassen, die wehtun: wie ein Kind, das eine heiße Herdplatte anfasst. Es wird das einmal und nie wieder tun. Es wäre natürlich schön, wenn diese Erkenntnis immer so simpel wäre und frau sich zum Beispiel nicht immer wieder in die falschen Kerle verlieben würde …
Das Wissen, dass das Leben mitunter grauenvoll sein kann, ist – und das ist enorm wichtig – auch die Voraussetzung dafür, für Andere Mitgefühl zu empfinden, verbunden mit dem Wunsch, demjenigen zu helfen und ihn zu unterstützen. Wir reden hier nicht von Mitleid oder Sympathie. Das ist etwas ganz anderes. Denn dafür braucht es keine tief greifenden Erfahrungen in der Welt der Hölle. Was ich meine, ist Empathie – das Einfühlen aus dem Wissen und der Kraft des Erlebten. Eine Frau wie die Philosophin und Nonne Edith Stein 9 , die in Auschwitz ermordet wurde, hat uns das in wunderbarer Weise vorgelebt und übermittelt.
Hunger
Hier geht es ganz konkret um das Thema Begierden. Der negative Aspekt dieses Lebenszustands ist, dass die Begierden uns beherrschen. Wir werden zu Sklaven unserer Wünsche, die nie aufhören: mehr, besser, neuer, schneller, höher, größer, weiter, teurer, schicker – das hört nie auf! Ist ein Wunsch erfüllt, kommt gleich der nächste nach. Wir sind dauerunzufrieden und ständig auf der Jagd, getrieben von der inneren Unruhe des Unbedingt-haben-Wollens, egal ob materiell oder nicht
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