Mein Weg mit Buddha
nicht gibt. Es ist der höchste Lebenszustand und daher sehr schwer zu begreifen.
Also nehmen wir die kleine Geschichte eines ganz normalen Tages in Paris im Januar 1995 einmal anhand der Zehn Welten auseinander:
Der herrliche Wintermorgen – eine beschauliche Welt der Ruhe, friedlich, kontemplativ. Es ist zwar kalt (Hölle für mich), aber die winterliche Stadtlandschaft sieht wunderschön aus.
Das Croissant, das ich verschlinge, gehört nicht primär der Welt des Hungers an (so lange ist das Abendessen noch nicht her). Jedoch die Geschmacksexplosion à la française verdeutlicht die Animalität, da ich das Ding wie ein Tier verschlinge. Mein Verstand signalisiert mir, dass die Teile ungesund sind, also erlebe ich eine kurze Teilerleuchtung, die auf zurückliegenden Studien im Bereich Ernährung basiert. Die Lektüre des Figaro , die mich nicht nur dazu zwingt, mein Französisch zu verbessern, sondern auch noch was vom Weltgeschehen mitzukriegen, steht für die Welt des Lernens. Hinzu kommt die Teilerleuchtung, dass der Figaro in Bezug auf Wissenserweiterung tatsächlich sinnbringender ist als ein Modemagazin.
Der Auftritt der Vermieterin beschert mir ein Wechselbad mehrerer Zustände. Da ist zunächst einmal die Hölle, bedingt durch die Störung bei meinem gemütlichen Frühstück, die Erwartung einer unliebsamen Rechnung und den damit verbundenen Verzicht auf die ersehnten Schuhe. Dann wird Ärger (Arroganz) manifest, weil ich die Dame, ohne sie zu kennen, als »blöde Kuh« bezeichne und ich mich, nur weil ich gestört wurde, im Recht fühle. Ich lehne die Vermieterin grundlos ab, obwohl ich natürlich wissen sollte, dass auch sie die Buddhaschaft besitzt. Gleich darauf stellt sich vorübergehende Freude ein: Ich muss heute nichts bezahlen. Damit sind die Schuhe gerettet, der »Hunger« wird gestillt. Die Freude ist stark genug, um »bloße Katzenwäsche«, ohne die Haare zu waschen, für mich nicht zum Problem werden zu lassen. Den Bereich der Animalität befriedigt anschließend das besonders leckere Duschgel. Der Tag ist für mich wieder im Lot, sprich: Die Welt der Ruhe stellt sich ein. Aber nicht lange, denn die Nachricht am Telefon löst erst einmal den Zustand der Hölle aus. Aber dann setzt die Erkenntnis (das Lernen) ein: Alles nicht so schlimm, es gibt bestimmt einen Ausweg.
Nun greift die Welt der Animalität wieder: Ich muss mir etwas anziehen, damit ich nicht erfriere – letztendlich pure Arterhaltung! Doch der Pullover, den ich anziehe, ist nicht nur warm, sondern auch weich, edel und teuer – das katapultiert mich in vorübergehende Freude.
Indem ich chante, versuche ich meinen Buddhazustand zu manifestieren – und manchmal erwischt man auch ein kleines Zipfelchen davon.
Der Akt des Bügelns bringt meine Bodhisattvanatur hervor. Ehrlich! Da Hemdenbügeln für mich mit Abstand die schlimmste Tätigkeit im Haushalt ist, ist es ein Akt altruistischer Liebe und Zuwendung, dies für jemand anderen zu tun. Indem ich das Dekor des Bügelbretts studiere, befinde ich mich dann wiederum in der Welt des Lernens.
Direkt aus der Welt der Freude – mein Freund aus Wien wird bald in Paris landen – falle ich geradewegs mitten in die Hölle – wegen des vermeintlich gestohlenen Autos. Aber nur kurz, denn da sich der Irrtum aufklärt, bin ich sofort wieder in der Freude. Ich freue mich so sehr, dass ich instinktiv das Bedürfnis habe, andere daran teilhaben zu lassen. Ich kaufe also den Lieblingschampagner meiner Schwiegereltern, um ihnen eine Freude zu machen. In diesem Verhalten zeigt sich meine (mitfühlende) Bodhisattvanatur.
Die kleine Szene am Flughafen zeigt ganz klar die Welt der vorübergehenden Freude und danach den Lebenszustand der Ruhe: Alles hat bestens geklappt, die Fahrt ist entspannt und sogar der dichte Verkehr präsentiert uns seine positive Seite: Wir haben viel Zeit zum Quatschen.
Am Schluss erlebe ich noch einmal eine Teilerleuchtung durch die Erkenntnis, dass ich zwei Menschen in meiner Nähe habe, die mich zu dieser buddhistischen Praxis gebracht haben und mich immer noch sehr unterstützen.
Man sieht also: Alle Zehn Welten sind in einer solch kurzen Zeitspanne präsent! Das heißt: Jeder Lebenszustand ist permanent latent vorhanden und wartet nur auf einen kleinen Schubs von außen oder durch die eigene innere Befindlichkeit, um sich zu manifestieren.
So, und nun zum tieferen Verständnis die Zehn Welten en détail.
Hölle
Im Buddhismus ist Hölle nicht wie im
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