Mein Weg mit Buddha
bezeichnet diesen Zustand als »Verdrehtheit« und fügt noch hinzu: »Ein arroganter Mensch wird von Angst überwältigt, wenn er auf einen starken Gegner trifft. Das Ego muss um jeden Preis geschützt werden.« So viel zum Handlungsmotiv und zur Uneinsichtigkeit jenes Menschen.
Dennoch besitzt auch der Ärger, der letzte der »bösen Pfade«, einen positiven Aspekt:
Unser Ego schützt unsere Würde und befähigt uns damit, gegen diejenigen zu Felde zu ziehen, die die Würde des Menschen mit Füßen treten. In diesem Sinne kann man »Ärger« auch als gewaltige, konstruktive Antriebskraft verstehen, die gesellschaftliche und persönliche Reformen ermöglicht. »Ärger« verleiht uns den Mut aufzustehen, unsere Stimme zu erheben und uns für andere Menschen einzusetzen, sei es in einer großen Organisation wie Amnesty International oder in der Rolle des Schlichters bei einer kleinen privaten Familienfehde.
Ruhe
Ein kleines Beispiel eines Menschen in der Welt der Ruhe: Ich bin bei mir zu Hause in Südfrankreich. Genauer gesagt: Ich sitze in einem Café an der Strandpromenade. Der Sommer geht zu Ende. Die Touristen sind fort, in dem kleinen Ort kehrt wieder Frieden ein. Ich habe es wirklich schön hier, blicke aufs Meer und bin zufrieden. Ich denke nichts und bin ganz ruhig. Bald werde ich anfangen, dieses Buch zu schreiben. Meine Ausgeglichenheit ist sicher die beste Voraussetzung dafür – kein schlechter Zustand nach der Achterbahnfahrt durch Höhen und Tiefen der letzten Jahre. Ich bin weder unglücklich, da momentan Frieden herrscht in meinem Leben, noch bin ich besonders glücklich, das heißt randvoll mit vorübergehender Freude aufgrund einer neuen Liebe oder einer Traumrolle. Alles ist ruhig, es ist gut so, wie es ist.
Die Welt der Ruhe oder der Humanität, also des völligen Menschseins, so, wie wir gemeint sind, ist ein neutraler Zustand. Man lebt im Frieden mit sich und seiner Umgebung, »ruht in sich selbst«.
In diesem Lebenszustand sind wir in der Lage, unsere angeborene Intelligenz anzuwenden und nach dem Motto zu handeln »Erst denken, dann reden« und vor allem »Erst reden und nicht gleich zuschlagen«. Wir praktizieren den friedlichen Dialog mit Toleranz (Jaaaa!) und Güte. Das bedeutet, dass es uns in dieser Welt der Ausgeglichenheit auch mal egal ist, ob wir recht behalten oder andere etwas tun, was uns nicht so zusagt. Man ist achtsam, beurteilt die Dinge mit dem Verstand und lässt sich nicht von Emotionen hinreißen. Spätestens in diesem Lebenszustand ist Wahrheit auch kein relativer Begriff mehr! Wir wollen Frieden und keine Spielchen spielen. Anstatt den Konflikt zu suchen, gehen wir ihm lieber aus dem Weg. Weil uns nämlich bewusst ist, dass uns ein anderes Verhalten sofort wieder in die Welt des Ärgers, der Hölle oder der Animalität zurückkatapultiert.
Doch da genau zeigt sich auch die Problematik der Welt der Ruhe. Konfliktvermeidung ist zum Beispiel in einer Partnerschaft auch keine Lösung. Im Gegenteil: Viele Beziehungen zerbrechen daran. Es gab Situationen in meinem Leben, in denen ich das Gefühl hatte, gegen Gummiwände zu laufen. In diesen Momenten war mein ausgeglichener Lebenszustand wortwörtlich »beim Teufel«. Die Welt der Humanität ist nicht stabil genug, hat per se nicht genügend Lebenskraft, um nicht mitunter von den niederen Welten einfach weggespült zu werden. Also betrachten wir diese Welt am besten als eine »Zwischenphase« zum Ausruhen.
Genau betrachtet sind die negativen Aspekte der Welt der Ruhe gar nicht so ohne: Sie präsentieren sich in Form von Gleichgültigkeit, Nachlässigkeit und Apathie – in stundenlangem faulen Herumdümpeln vor dem Fernseher ohne konkretem Interesse am Programm (wie wäre es stattdessen zur Abwechslung mal mit einem Buch zum Eintauchen in die Welt des Lernens?). Ebenso herrscht bei den Jugendlichen diese gewisse Null-Bock-Stimmung vor, eine allgemeine Lustlosigkeit verbunden mit dem fehlenden Elan, ihr Leben kreativ zu gestalten und an sich selbst zu arbeiten. Die bereits erwähnte Konfliktvermeidung ist nicht nur im zwischenmenschlichen Bereich ein Problem, sie beinhaltet auch den weitverbreiteten Wunsch nach Nicht-Veränderung. Da wir Angst davor haben, dass unser Leben durcheinandergerät, weigern wir uns oft, Probleme und Hindernisse an uns heranzulassen. Im Lebenszustand der Ruhe verlangt es unsere Bequemlichkeit, dass alles so bleibt, wie es ist. Schließlich haben wir uns ja bislang auch ohne große Aufregung
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