Mein wildes Herz
tun.“
Leif strebte mit großen Schritten auf die Stallungen von Heartland zu, einem großen Steingebäude, das nach Staub und frisch geschnittenem Heu roch. Auf seinen Schultern hockte vergnügt kreischend der kleine Alfinn. Er war froh, wieder an seinem Lieblingsplatz zu sein. Als sie das schattige Innere betraten, sprang der Affe hoch, landete auf einem der oberen Gitter einer Box und kletterte von dort aus ins Gebälk hinauf.
„Benimm dich, Alf“, warnte Leif, und der Affe schnatterte geräuschvoll eine Antwort. Er war zufrieden mit seiner Umgebung und dem Stalljungen Jamie Suthers, der sich am meisten um ihn kümmerte.
„Hat heute Morgen nichts als Unsinn im Kopf“, sagte der schlaksige dunkelhaarige Junge mit sichtlicher Zuneigung.
„Er freut sich des Lebens. Und er mag dich, Jamie.“ Leif winkte dem Jungen zu. Er war glücklich, dass Alf noch einen Freund gefunden hatte, und ging wieder in Richtung Haus. Er trat ein und ging dann den mit Marmor gefliesten Gang hinunter in die Bibliothek mit der hohen Decke, die der Professor als Arbeitszimmer benutzte.
Nach langen Wochen in diesem holzverkleideten, mit langen Bücherreihen ausgestatteten Raum fühlte Leif sich hier wohler als in irgendeinem anderen Raum dieses großen, eleganten Gebäudes.
Leif dachte zurück an die ersten Wochen nach seiner Ankunft. Heartland war eines Königs würdig. Aus schönen goldfarbenen Steinen erbaut, stand es vier Stock hoch, geschützt von einem Dach aus schwerem schwarzem Schiefer, auf einem Hügel inmitten weiter grüner Felder. Die Wege und Gärten waren bestens gepflegt, und am Haus entlang plätscherte ein fischreicher Fluss.
Die Innenausstattung war herrlicher, als Leif es sich mit seinen begrenzten Kenntnissen in dieser Welt je hätte vorstellen können. Es gab hier sogar noch üppigere Möbel als im Stadtpalais des Professors. Das Bett, in dem Leif schlief, war noch größer als das in London und die Matratze nicht nur aus Federn, sondern aus weichen Gänsedaunen.
Der Professor hatte ihm erzählt, dass es Hunderte von Häusern gab, die weit eleganter waren als Heartland. Doch das war Leif egal. Er hatte diesen Ort vom ersten Augenblick an geliebt. In seinen Augen konnte selbst der reichste Mann der Welt sich nicht mehr wünschen.
Leif setzte sich in einen reich mit Schnitzereien verzierten Stuhl. Er erinnerte ihn an den hochlehnigen Sessel, in dem sein Vater zu Hause als Häuptling im Langhaus auf einem Podest saß. Dieser Stuhl hier war nur einer von sechs Stühlen, die einen schönen geschnitzten Tisch in der Mitte der Bibliothek umgaben. Vor Leif auf dem Tisch lag ein Stapel Bücher, von denen der Professor annahm, sie könnten Leif interessieren. Er schlug das oberste Buch auf und begann zu lesen.
Bald würde Professor Hart mit einer neuen Liste von Wörtern und Begriffen kommen, und sie würden wieder mit dem Unterricht beginnen. Diese Stunden waren lang und anstrengend, doch der Professor lobte seine Leistungen, und Leif glaubte, dass das Ergebnis der Mühe wert war.
Er erinnerte sich an die ersten, mühevollen Wochen auf dem Land. Paxton Hart hatte im Unterricht eine Buchstabentafel benutzt, ein dickes Stück Karton, das in drei Teile gefaltet war. Nachdem Leif das Alphabet gelernt hatte und es den hohen Ansprüchen des Professors gemäß auch schreiben konnte, lernte er, ganze Wörter zu schreiben. Er begriff sehr schnell und arbeitete hart. Den Professor schien es zu freuen. Zuerst lernte Leif in einer Fibel lesen. Dann las er Bücher für ältere Kinder. Jetzt las er bereits alles, lernte mehr und mehr Wörter und wie man sie richtig aussprach.
Nach vier Monaten intensiven Studiums hatte er Vertrauen in seine Fortschritte. Er wusste, dass er weit besser arbeitete, als der Professor erwartet hatte.
In dem Moment erschien Paxton Hart in der Tür zur Bibliothek. Leif runzelte die Stirn, als er das angespannte Gesicht des Mannes sah. Das Papier in seiner Hand zitterte ein wenig.
Leif sprang auf. „Was ist, Professor?“ Seit mehr als einem Monat sprachen sie nur noch Englisch, und Leif stellte fest, dass ihm die Worte immer leichter über die Lippen gingen.
„Es ist etwas passiert. Bei der Zeitung hat es Schwierigkeiten gegeben. Ich muss zurück in die Stadt.“
„Was für Schwierigkeiten?“ Leif wusste nun, was Zeitungen und Zeitschriften waren. Er wusste, dass der Professor und seine Tochter etwas besaßen, dass man Gazette nannte, eine Wochenzeitschrift. Ihre Wochenzeitschrift wurde für
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