Mein Wille geschehe
Lässt sich jedenfalls unaufgefordert auf dem Stuhl nieder, und kaum hat er den Umhang um
den Hals, fängt er an zu predigen, über meine
moralische Verpflichtung gegenüber den Ungebo-
renen. Schließlich hab ich ihm gesagt, wenn ich
’ne Predigt hören will, geh ich zur Kirche, und hab ihn vor die Tür gesetzt, mit halb fertig geschnit-tenen Haaren. Geschieht ihm recht.«
»Meine Frau macht sich Sorgen«, gestand John
Quinn. »Das heißt, ich muss auch beunruhigt
sein. Sie glaubt, einige von diesen Leuten seien
Irre, die uns was antun könnten.« Andere Ge-
schworene sahen bestürzt aus, als sie das hörten.
»Im Moment glaube ich, dass es sich nur um Ein-
flussnahme handelt«, versicherte Bendali, »nicht
um Drohung.«
»Falls die das wollen, schneiden sie sich ins eige-ne Fleisch«, erkläre Karleen McKay. »Ich habe
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nämlich genau das Gegenteil empfunden. Ich ha-
be meinen ganzen Sonntag vergeudet, um einer
Frau Häuser zu zeigen, die vielleicht aus South
Carolina herziehen wollte, aber mir in erster Linie erzählte, dass sie wie verrückt für meine Erleuch-tung betet.«
»Der Meinung bin ich auch«, äußerte Bill Jorgen-
son, der Boeing-Mitarbeiter. »Es war nicht gerade angenehm, sich das Material des Gerichtsmediziners anzuschauen, aber man wusste ja, dass es
sein muss. Aber diese Fotos – das war was ande-
res. Das war nicht in Ordnung. Ich hätte das Wo-
chenende gebraucht, um lockerzulassen, Baseball
zu schauen, mich zu entspannen, und so wurde
mir noch mehr davon aufs Auge gedrückt.«
»Ich finde, dass jeder ein Recht auf seine Mei-
nung haben sollte«, meldete sich Rose Gregory
zu Wort. »Ich sehe mir jeden Abend Reverend
Heals Gebetsstunde an, und er hat nie einen Hehl
aus seiner Ablehnung der Abtreibung und seiner
Unterstützung des Angeklagten in diesem Prozess
gemacht. Aber ich muss Ihnen sagen, ich war
persönlich sehr enttäuscht, als mir klar wurde,
dass er mich nur zu der Gala am Samstagabend
eingeladen hatte, weil er mich zu einem Frei-
spruch überreden wollte. Ich finde, dass ich ein
Recht darauf habe, mir eine eigene Meinung zu
bilden.« Bendali lächelte. »Nicht nur ein Recht
darauf«, erwiderte er, »es ist sogar Ihre Pflicht.«
Er wandte sich den anderen Geschworenen zu.
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»Wenn alle von Ihnen so empfinden wie die Ge-
schworene Nummer achtundsechzig, haben wir
vielleicht doch kein Problem.«
»Ich dachte zunächst, nur ich hätte diese Fotos
bekommen«, sagte Stuart Dünn. »Ich dachte,
wenn ich Bericht erstatte, kann ich nicht mehr als Geschworener fungieren, und darüber war ich
sehr wütend. Als ich mitbekam, dass auch andere
Ähnliches erlebt hatten, dachte ich, dass man
nun den Prozess abbrechen müsste, und das
machte mich noch waltender, weil diese Leute
damit einen Sieg errungen hätten. Ich finde, die-
se Genugtuung sollten wir denen nicht gönnen.«
»Für den Fall, dass wir den Prozess nicht einstellen würden«, sagte Bendali, »würde sich dann
jemand von Ihnen unwohl fühlen, wenn er hier
weiter als Geschworener tätig ist?« Einige schüt-
telten den Kopf, andere zuckten nur die Achseln.
»Meine Frau«, sagte John Quinn mit einem Seuf-
zer. »Ich hab kein Problem damit, aber sie macht
sich Sorgen. Wir haben zwei Kinder. Und einen
Hund.«
»Möchten Sie freigestellt werden, Geschworener
Nummer hundertsechzehn?«, fragte der Richter.
»Machen Sie das nicht, John«, sagte Karleen Mc-
Kay zu ihm. »Stuart hat Recht. Lassen Sie denen
nicht die Oberhand.« Die anderen murmelten zu-
stimmend. Der Prozess hatte erst vor zwei Wo-
chen begonnen, aber Dana merkte, dass die Ge-
schworenen schon eine Art Gemeinschaft bilde-
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ten. »Können wir uns irgendwie schützen?«, frag-
te Quinn. »Ich meine, unser Heim, unsere Fami-
lie?«
»Wenn das notwendig sein sollte, lässt sich das
machen, ja«, erklärte Bendali.
»Okay, dann steig ich nicht aus«, sagte der Bau-
unternehmer. »Ich bin weiter dabei.«
Die anderen Geschworenen nickten beifällig.
»Noch eine letzte Frage«, sagte der Richter.
»Glaubt jeder von Ihnen trotz seiner jüngsten
Erlebnisse, dass er im Stande ist, ein gerechtes
und unvoreingenommenes Urteil zu fällen?«
Alle in der Geschworenenbank dachten einen Au-
genblick nach und nickten dann.
»Vielen Dank für Ihre Stellungnahme«, sagte
Bendali. »Die Verhandlung ist vertagt. Morgen
werde ich Ihnen meine Entscheidung mitteilen.«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass
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