Mein Wille geschehe
selbstbewusst und gelassen. Wie deine
Freundin. Ich glaube, ihr seid die beiden unab-
hängigsten Frauen, denen ich je begegnet bin.«
»Du meinst Dana?«
»Ja, klar«, antwortete er. »Auf sie trifft das zu, aber bei mir liegst du echt daneben«, sagte Judith und gluckste. »Ich bin alles andere als unab-hängig. Das solltest du doch allmählich wissen.
Ich brauche immer jemanden zum Anlehnen. Das
war schon immer so und wird sich vermutlich
auch nicht mehr ändern.«
»Wirklich? Da hast du mich aber getäuscht. Wa-
rum ist Dana so viel unabhängiger als du?«
Judith zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht. Bei ihr läuft einfach immer alles richtig, weißt du, wie ich 405
meine? So ist es schon, seit ich sie kenne. Mir
kommt es vor, als hätte sie am Tag ihrer Geburt
ihr Leben in die Hand genommen und das Ziel nie
wieder aus den Augen verloren. Sie weiß genau,
was sie will und wie sie es kriegt. Ich weiß nicht, wie sie das macht, aber sie schafft es. Auch wenn was schief gelaufen ist, hat sie das immer schnell überwunden und weitergemacht.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei ihr ir-
gendwas richtig schiefgelaufen ist. Sie wirkt so…
vollkommen.«
»Na ja, wir sind seit unserer Schulzeit befreun-
det«, sagte Judith und gähnte, »da gäbe es schon
die eine oder andere Geschichte. Aber davon
kann ich dir nichts erzählen.«
»Mächtig privat, wie?«, fragte er und spürte ein
Kribbeln im Nacken.
»Ja, klar«, murmelte Judith und kuschelte sich an ihn. »Sehr privat.«
406
7
Am Dienstagmorgen um zwanzig nach neun
klopfte Robert Niera sachte an die Tür von Abra-
ham Bendali. »Kommen Sie herein, Robert«, sag-
te der Richter. »Ich fürchte, wir haben ein kleines Problem, Euer Ehren«, teilte der Gerichtsdiener
ihm mit. »Was denn?«, erwiderte der Richter und
seufzte. »Einer der Geschworenen hat mir dies
hier gegeben«, sagte Niera und reichte dem Rich-
ter einen braunen Umschlag. Bendali sah, dass er
an Stuart Dünn adressiert war. Er öffnete den
Umschlag, entnahm die Fotos und breitete sie auf
dem Tisch aus.
»Das ist doch allerhand«, murmelte er. Er griff
nach dem Zettel, den er auch dem Umschlag
entnommen hatte, und seine Miene verfinsterte
sich. »Nur einer?«, fragte er den Gerichtsdiener.
»Nein, Euer Ehren, ich wurde von fünf der Ge-
schworenen angesprochen«, gab Robert Niera zur
Antwort. »Aber ich glaube, dass auch andere
kontaktiert wurden. Drei sagten mir, sie hätten
solche Umschläge bekommen, zwei meldeten,
dass sie von Leuten angesprochen worden wa-
ren.« Der Richter wiegte den Kopf hin und her.
»Schicken Sie mir die Anwälte«, sagte er dann.
»So, Mrs McAuliffe, was wissen Sie darüber?«,
fragte Bendali aufgebracht, als sich die Vertreter der Verteidigung und der Anklage in seinem
Raum versammelt hatten.
407
»Nicht das Geringste, Euer Ehren«, antwortete
Dana mit einem Blick auf die Fotos. »Ich versi-
chere Ihnen, dass ich diese Bilder noch nie zu
Gesicht bekommen habe. Ich habe nichts zu tun
mit Menschen, die diese Art von Manipulation
betreiben, und ich bin ebenso empört darüber wie
Sie.«
Bendali starrte sie an und zog eine Augenbraue
hoch. »Sind Sie da ganz sicher?«
Dana, nicht im Mindesten eingeschüchert, hielt
dem Blick eisern stand. »Wollen Sie mir Beein-
flussung der Geschworenen unterstellen?«, fragte
sie zurück. »Sollte ich das tun?«
»Wohl kaum«, erwiderte sie gelassen. »Wie jeder
brauchbare Anwalt will ich meinen Fall gewinnen,
und ich werde zu Gunsten meines Mandanten alle
mir zur Verfügung stehenden Mittel nutzen. Aber
ich verstoße niemals gegen die Regeln. Wenn Sie
mich nicht gut genug kennen, um sich dessen
sicher zu sein, wäre vielleicht Mr Ayres so nett
und würde sich für meine Integrität ausspre-
chen.« Brian nickte. »Das kann ich und tue ich,
Euer Ehren«, sagte er. »Ich arbeite seit über
zehn Jahren mit Mrs McAuliffe zusammen.«
»Dann haben wir irgendwo ein Leck von den
Ausmaßen der Titanic«, erklärte Bendali. »Was
sollen wir tun?« Die Anwälte sahen sich an.
»Wir könnten den Prozess wegen Verfahrensfeh-
lern einstellen«, schlug Brian vor. Seine man-
gelnde Begeisterung für diese Option war ihm
408
anzumerken, denn er war zufrieden mit dem bis-
herigen Prozessverlauf und mit den Geschwore-
nen und wollte nicht noch einmal von vorne an-
fangen.
»Das wäre eine Möglichkeit«, stimmte Bendali zu
und sah Dana an. »Mrs
Weitere Kostenlose Bücher