Mein Wille geschehe
sich so einsam ge-
fühlt. Als es draußen hell wurde, duschte sie, zog sich um und fuhr nach Port Townsend.
Molly war verwundert, als sie auftauchte. »Ich
muss doch nicht schon wieder nach Hause, o-
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der?«, fragte sie ängstlich. »Papa hat gesagt, ich könnte übers Wochenende bleiben, und ich hab
schon Pläne gemacht.«
»Nein, du darfst bleiben«, versicherte ihr Dana.
»Gefällt’s dir hier?«
»O ja«, antwortete die Neunjährige mit leuchten-
den Augen. »Hier ist so viel los.« Und sobald sie ihre Pancakes gegessen hatte, zog sie wieder mit
ihren Cousinen los. »Danke, Mam«, sagte Dana,
als Molly verschwunden war. »Wir sind hier auch
nicht von aller Welt abgeschnitten, weißt du«,
sagte ihre Mutter. »Wir kriegen schon mit, was in der großen Stadt passiert. Ich weiß nicht, wie
lange wir so tun können, als sei alles in Ord-
nung.«
Dana seufzte. »Es tut mir Leid«, sagte sie. »Ich
nehm sie auch wieder mit, wenn euch das lieber
ist.«
»Das ist nicht nötig«, sagte ihre Mutter. »Man
erzieht seine Kinder nach bestem Wissen und
Gewissen, aber wenn sie erwachsen und aus dem
Haus sind, leben sie ihr eigenes Leben.«
»Ich weiß, dass du jetzt enttäuscht von mir bist«, sagte Dana. »Und vermutlich nicht nur du. Aber
ich hab getan, was ich für richtig hielt.«
»Keiner von uns ist perfekt«, sagte ihre Mutter.
»Deshalb kündet Er uns auch von unseren Nie-
derlagen wie von unseren Siegen. Mas geschehen
ist, ist geschehen. Es kommt darauf an, wie man
damit lebt.«
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Dana nickte. »Genau das muss ich mir jetzt über-
legen«, sagte sie.
Ihre Mutter warf einen Blick auf die Küchenuhr.
»Dann willst du bestimmt deinen Vater sprechen.
Er ist noch im Büro.«
In ihrer Stimme lag keine Verbitterung, weil ihr
Mann auch am Wochenende immer arbeitete. Sie
akzeptierte das. Dana fand Jefferson Reid an sei-
nem Schreibtisch vor, wo er über juristischer
Fachliteratur brütete und Präzedenzfälle heraus-
suchte.
»Noch ein paar Jahre solch eine Schrift, und ich
bin blind«, grummelte er, als er sie sah. »Die
drucken das von Jahr zu Jahr kleiner.«
»Weil es von Jahr zu Jahr mehr wird«, sagte Da-
na. »Wenn die Schrift angenehm zu lesen wäre,
würde man die Bücher nicht mehr hochheben
können.«
Er schob die Wälzer beiseite. »Ich muss dich wohl nicht fragen, weshalb du hier bist«, sagte er.
Sie ließ sich in einen seiner ausladenden Leder-
sessel fallen. »Wieso?«, gab sie zurück. »Weil ich immer angerannt komme, wenn ich Probleme
habe?«
»Hast du Probleme mit dem Prozess?«, fragte er
sofort. »Nein, ich glaube eigentlich nicht«, ant-
wortete sie. »Cotter meckert ein bisschen herum
und will mir die Leitung der Verteidigung weg-
nehmen, aber ich denke, dass er es nicht wirklich 591
ernst meint. Ansonsten läuft es ganz gut, finde
ich.«
»Kommst du mit der Ablenkung zurecht?«
»Ich schätze schon«, sagte sie. »Ich habe ges-
tern Abend eine kurze Stellungnahme abgege-
ben, undjetzt warte ich erst einmal ab, wie das
verfängt. Dann kann ich mir immer noch überle-
gen, ob ich noch was nachliefere.«
»Nun, wenn du dir wegen uns Sorgen machst:
Deine Mutter ist die Fromme in der Familie, aber
sie ist auch realistisch. Sie wird vielleicht eine Weile daran herumkauen, aber sie wird es hinter
sich bringen.«
»Ich weiß.«
Er sah sie an. »Wo ist denn dann das Problem?«
»Sam ist weg«, sagte Dana. »Was heißt ›weg‹?«,
fragte er. »Er hat mich gestern Abend verlas-
sen.« Jefferson Reid sah seine Tochter lange an.
»Du hattest es ihm nicht gesagt, nicht wahr?«
Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
»Ich wollte es zuerst«, sagte sie. »Aber er
wünschte sich so sehr ein eigenes Kind, und ich
wusste nicht, wie ich ihm erklären sollte, dass es mir wichtiger ist, in meiner Kanzlei Sozius zu
werden. Ich dachte, ich warte noch ein paar Jah-
re, etabliere mich erst mal beruflich, dann ist
immer noch Zeit für ein Kind. Aber dann habe ich
ständig so viel gearbeitet, dass die Zeit wohl
doch nicht reif war.« Sie seufzte. »Ich wollte ihm nicht sagen, dass ich sein einziges Kind umge-592
bracht habe.« Reid rieb sich gedankenverloren
das Kinn. »Hast du auch deiner Mutter erzählt,
dass Sam dich verlassen hat?«
»Nein«, gab Dana zu. »Aber ich habe mir über-
legt, ob Molly eine Weile hier bleiben könnte,
wenn ihr damit einverstanden seid. Zumindest,
bis der Prozess vorbei ist. Es wäre sehr
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