Mein Wille geschehe
Jessup. »Von zwei-
hundertfünfzigtausend Dollar abgesehen, die ir-
gendein Fernsehprediger dazu beigesteuert hat,
bezahlt die Coalition alles – einen Betrag, der sich 599
inzwischen auf über eine Million Dollar beläuft.«
»Ich wusste, dass die Kanzlei eine konservative
Ausrichtung hat, aber dass es so weit geht, hätte ich nicht gedacht.«
»Das ist noch nicht alles«, fuhr Jessup fort. Er
beugte sich vor und griff nach einer Hand voll
Mikrokassetten. »Der Mann, mit dem ich heute
gesprochen habe, hat bei einigen Gesprächen der
Führungsgruppe der Coalition ein Band mitlaufen
laufen. Nach außen hin verurteilt die Coalition die Tat, stellt sich aber sozusagen hinter den Täter.
Doch intern scheinen sie daran interessiert zu
sein, dass er verurteilt wird.«
»Das hat Ihnen Ihr Kontakt gesagt?«
»Ja.«
»Die Coalition will, dass Corey verurteilt wird?«
»Ja.«
»Aber warum denn? Das sind doch vehemente
Abtreibungsgegner.«
»Ja, aber Roark turtelt mit dem republikanischen
Präsidentschaftskandidaten, und jetzt geht es um
die Wurst. Der Kandidat hat Roark quasi ein Anti-
Abtreibungsgesetz versprochen, falls er die Wahl
gewinnt. Und Corey ist das Bauernopfer. Der an-
ständige amerikanische Junge von nebenan, der
gegen die Abtreibung zu Felde zieht. Ein Frei-
spruch bringt da nichts. Der Kandidat will einen
Märtyrer.« Dana runzelte die Stirn. »Kommt jetzt
das, was ich gerade denke?«, fragte sie.
»Es tut mir Leid«, sagte Jessup. »Diesen Bändern
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zufolge sind Sie entbehrlich.«
Etwas in ihr wollte schreien, dass dies nicht die Wahrheit war, dass sie selbst sich für den Fall
entschieden hatte. Doch das Bild, das Jessup
entwarf, war stimmig. »Ich kann’s nicht fassen«,
murmelte sie. »Die Geschworenenliste – die wur-
de mit Vorsatz rausgegeben, nicht wahr? Die Re-
aktion war berechnet.«
Er nickte. »Vermutlich handelte Ramsey auf Cot-
ters Anweisung.«
»Deshalb hat Cotter ihm die zweite Stellvertre-
tung gegeben. Er hat vermutlich seit dreißig Jah-
ren nicht mehr als zweiter Stellvertreter fungiert.
Er saß nicht als Wachhund im Gerichtssaal, son-
dern als Spion. Und deshalb wollte Cotter mich
auch abziehen, als ich ihn über die Liste infor-
miert habe. Und deshalb sind Sie abserviert wor-
den.«
»Das vermute ich auch.«
Dana richtete sich auf. »Nun, ich fürchte, da ha-
ben sich alle gründlich verrechnet«, verkündete
sie. »Roark, Cotter, Ramsey und die anderen, die
mit unter dieser Decke stecken.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte er.
»Weil ich die Absicht habe, diesen Fall zu gewin-
nen«, entgegnete Dana. Jessup lächelte, griff
nach einem Papier auf seinem Tisch, zerriss es
und warf es in den Papierkorb. »In voller Höhe
bezahlt«, sagte er. »Was war das?«
»Meine letzte Rechnung. Ich bezweifle, ob Cotter
601
sie unter diesen Umständen bezahlt hätte. Aber
Sie haben es gerade getan.«
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23
Um elf Uhr am Sonntagvormittag betrat Dana das
Gefängnis. Während sie auf Corey wartete, über-
legte sie, was sie ihm sagen wollte. Wie sollte sie einem Mann, dessen Leben auf dem Spiel stand,
weil seine Frau abgetrieben hatte, mitteilen, dass seine Verteidigerin dasselbe getan hatte? Wie
sollte sie einem Mann, dem jedes Leben heilig
war, erklären, dass sie ein Leben beendet hatte,
weil es ihrer Karriere im Weg stand?
Würde sie überhaupt die Gelegenheit haben, mit
ihm darüber zu sprechen? Wenn er den Artikel
bereits gelesen oder die Nachrichten gesehen
hatte, würde er vielleicht jetzt schon nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Im Grunde war es
einfach, beschloss sie. W7enn sich die Gelegen-
heit ergab, würde sie ihm die Wahrheit sagen,
ohne Rücksicht auf Verluste. Das war ehrlich und
aufrichtig, und so wollte sie mit ihren Mandanten umgehen. Da kam Corey in seinen Fußschellen
hereingeschlurft. Er sah angespannt und verzwei-
felt aus, und Dana spürte, wie sie der Mut ver-
ließ.
»Was ist los?«, fragte er sichtlich aufgewühlt, als er bei ihr war.
»Na ja, das ist eine ziemlich lange Geschichte«,
antwortete sie.
»Sie ist zur Besuchsstunde nicht gekommen und
hat nicht angerufen«, sagte er. »Ist sie krank? Ist 603
ihr etwas zugestoßen?«
Dana blinzelte. »Moment mal«, sagte sie. »Wer?
Wann? Wo?«
»Elise, natürlich«, sagte er. »Sie hat mich ges-
tern nicht besucht. Meine Mutter war hier. Nor-
malerweise teilen sie sich die Zeit, aber Elise ist nicht gekommen. Haben Sie
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