Mein Wille geschehe
viel einfacher für mich, und sie würde nicht so viel Schul-
stoff versäumen. Ein paar Wochen nur.«
»Ich werde mit deiner Mutter reden«, sagte er.
»Sie hat bestimmt nichts dagegen.«
»Danke, Dad«, sagte Dana und erhob sich.
»Dann werde ich wohl wieder aufbrechen.«
»Willst du nicht übers Wochenende bleiben?«,
fragte ihr Vater. »Ich bin hier fast durch. Wir könnten noch ein Weilchen reden.«
»Nein«, erwiderte sie. »Ich muss zurück und
schauen, was jetzt los ist. Morgen Nachmittag
habe ich ein Treffen mit Cotter, und ich muss zu
Corey. Er ist jetzt das Wichtigste. Ich muss den
Prozess durchstehen und einen Freispruch erwir-
ken, und ich muss dafür sorgen, dass er nicht
unter meinem Privatleben zu leiden hat.«
Reid stand auf und nahm Dana in die Arme. »Ich
kenne dich«, sagte er. »Du schaffst das schon.«
Auf halbem Weg zur Tür blieb sie noch einmal
stehen. »Ich verstehe es einfach nicht«, sagte
sie. »Du hast immer die Entscheidungen für die
ganze Familie getroffen, hast getan, was du für
richtig hieltst, und Main hat nie widersprochen.
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Du hast mich dazu erzogen, meinen Traum zu
verwirklichen, die Karriere anzustreben, mich
nicht vor schwierigen Entscheidungen zu drücken.
Aber dann tue ich, was ich für richtig halte, und schau dir an, was dabei herauskommt.«
»Ich fürchte, daran bin ich schuld«, sagteJeffer-
son Reid und schüttelte den Kopf. »Ich habe dich
dazu erzogen, wie ich zu sein, aber ich habe ver-
gessen, dir zu sagen, dass du eine Frau in einer
Männerwelt sein wirst und nicht ein Mann.«
Craigjessup kam sich etwas albern vor, als er am
Samstagmorgen durch den Volunteer Park
schlenderte und die Bänke zählte, bis er die eine Bank fand, die er mit dem Anrufer vereinbart hatte. Verschwörerische Aktionen lagen ihm nicht.
Aber der Mann hatte darauf bestanden, und Jes-
sup hatte schließlich eingewilligt. Er sagte sich, dass es die Sache wert wäre, wenn die Information wirklich so ergiebig war, wie der Anrufer ver-
sprochen hatte.
Er ließ sich auf einer Seite der Bank nieder,
schlug die vereinbarte Zeitung auf und wartete.
Genau um zehn vor elf ließ sich ein massiger
Mann mit einer schiefen Nase am anderen Ende
der Bank nieder und zog seinerseits eine Zeitung
hervor. »Schöner Tag heute, nicht wahr?«, sagte
der Mann beiläufig.
»Wenn man den Oktober mag«, antwortete Jes-
sup, wie man ihn angewiesen hatte. »Ich persön-
lich bevorzuge den Mai.«
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Die Eröffnung war gemacht. Der Mann nickte.
»Bitte halten Sie weiter Ihre Zeitung hoch, solan-ge wir sprechen«, sagte er. »Kann ich mir keine
Notizen machen?«, fragte Jessup. »Mein Ge-
dächtnis ist nicht so gut.«
Der Mann schien das zu erwägen. »Es wäre mir
lieber, Sie würden das nicht tun«, sagte er dann.
»Ich werde Ihnen auch meinen Namen nicht sa-
gen. Ich gehe ohnehin mit diesem Treffen ein
großes Risiko ein. Aber es war mir ein Bedürf-
nis.«
»Warum?«, fragte Jessup. »Sind Sie ein Spion
oder ein Verräter?«
»Weder noch«, antwortete der Mann. »Ich halte
nur einiges von Moral und glaube nicht, dass der
Zweck immer die Mittel heiligt. Wir werden uns
unterhalten, und dann lasse ich meine Zeitung
auf der Bank liegen. Die müssen Sie dann mit-
nehmen.«
Jessup verdrehte die Augen hinter seiner Times vom Vortag. Hoffentlich lohnt sich dieses Theater, dachte er.
Sam McAuliffe lag in einem Hotelzimmer unweit
der Space Needle, sah sich CNN an und zerbrach
sich den Kopfüber Danas Stellungnahme.
»Richtige Entscheidung«, hatte sie gesagt, und
»aus Gründen, die mir damals zwingend erschie-
nen«. Seit sieben Jahren saß er jeden Morgen mit
Dana am Frühstückstisch und lag jede Nacht im
Bett neben ihr. Er hatte geglaubt, alles Wichtige 595
über sie zu wissen. Seiner Wahrnehmung nach
hatten sie eine perfekte Ehe geführt. Er konnte
einfach nicht begreifen, wie sie fünf Jahre lang
mit dieser entsetzlichen Lüge leben konnte, Seite an Seite mit ihm. Und er begann sich nun zu fragen, ob er sie jemals wirklich gekannt hatte.
Konnte ihr Status in ihrer Kanzlei ihr wirklich so viel mehr bedeuten als ihre Ehe? Sam wusste,
dass Dana ihr Beruf wichtig war und immer an
erster Stelle stehen würde. Das war ihm klar ge-
wesen. Aber musste man deshalb alles andere
ausschließen? Er war ihr so nah, wie ein Mann
einer Frau nur sein konnte, doch er war nie auf
den Gedanken gekommen, dass ihre Familie ihr
gleichgültig war, auch
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