Mein Wille geschehe
wird das hier alles für die Katz gewesen sein. Diese Kanzlei geht für ihn
nicht in die Berufung. Falls er freigesprochen
wird, wird der Spender Roger Roark alles andere
als erfreut sein, aber auch nichts dagegen unter-
nehmen können. Haben wir uns verstanden?«
Auch Paul Götter war nicht auf den Kopf gefallen.
Dana nickte. »Haben wir«, sagte sie.
Als Corey ihr um sieben Uhr berichtete, dass Elise den zweiten Tag nicht bei ihm gewesen sei, rief
Dana stündlich die Nummer der Lathams an.
Niemand nahm ab. Um elf Uhr stieg sie in ihren
Camry und fuhr zur West Dravus. Vielleicht
steckte die junge Frau in irgendwelchen Schwie-
rigkeiten. Im Haus war nirgendwo Licht, und die
wenigen Presseleute, die noch im Vorgarten her-
umgelungert hatten, waren inzwischen auch ver-
schwunden.
Dana parkte auf der anderen Seite und blieb ei-
nen Moment im Wagen sitzen. Sie überlegte, ob
sie klingeln sollte, für den Fall, dass Elise sich doch im Haus aufhielt und krank oder verletzt
oder anderweitig hilfsbedürftig war. Sie hatte gerade beschlossen, das zu tun, da sie nun schon
einmal hier war, als ein schwarzer BMW7 am
Straßenrand hielt. Ein Mann stieg aus und ging
zur Beifahrerseite. Elise tauchte auf, mit einem Köfferchen in der Hand, und die beiden gingen
zur Haustür. Sie umarmten sich leidenschaftlich,
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dann betrat Elise das Haus, und der Mann stieg in den BMW und fuhr davon. Dana wünschte sich
inständig, irgendwo anders zu sein und nicht das
gesehen zu haben, was sie gerade gesehen hatte.
Was sollte sie Corey sagen?
Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen. Als
sie ihn am nächsten Morgen anrief, wirkte er we-
sentlich entspannter. »Wegen Elise«, begann Da-
na, die noch immer nach den richtigen Worten
suchte.
»Ich weiß es schon«, antwortete er. »Ich hab ge-
rade mit ihr gesprochen. Ich hätte daran denken
sollen. Manchmal kriegt sie richtig schlimm PMS,
und dann kommt sie nicht mal aus dem Bett
hoch. Das kann tagelang anhalten. Ich weiß gar
nicht, wie sie das aushalten kann.«
»Na, da bin ich froh, dass Sie das klären konn-
ten«, murmelte Dana, um einen möglichst neut-
ralen Tonfall bemüht. Stand ihr ein Urteil über
das Verhalten anderer Menschen zu?
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24
Vor dem Gerichtsgebäude wurde Dana von un-
zähligen Schildern und Hunderten von wütenden
Demonstranten begrüßt, die ihr Ausscheiden aus
dem Prozess forderten. »Verräterin!«, schrien sie hinter den Barrikaden. »Gehilfin des Satans!«
»Babyschlächterin!«
Die Fernsehleute hatten auf diesen Moment ge-
wartet. Kameras schwenkten auf Dana, man hielt
ihr Mikrofone vors Gesicht.
»Wie war das mit der Abtreibung, Mrs McAuliffe?«
»Werden Sie aus dem Prozess ausscheiden?«
»Beachten Sie die einfach nicht, Ma’am«, riet ihr Guff, der sie vom Polizeiauto zum Eingang geleitete. »Hören Sie einfach nicht hin.«
Dana biss die Zähne zusammen und blickte stur
geradeaus. Sie sagte sich, dass es jetzt nur dar-
um ging, den Rest der Verhandlung durchzuste-
hen und einen Freispruch für Corey zu erwirken.
Darauf musste sie sich konzentrieren, alles ande-
re würde sich von alleine ergeben.
Der Kapitän von Coreys U-Boot trat am Montag
als Erster in den Zeugenstand. Seine Aussage
war kurz und wurde wenig hinterfragt. Dana hat-
te ihn hauptsächlich geladen, um ein Bild von Co-
reys Stimmung nach seiner Rückkehr von der
Patrouille zu etablieren.
»In den ersten Wochen, als Leutnant Latham
wieder an Land war, wirkte er bedrückt und zer-
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streut und war häufig reizbar«, sagte der Kapitän aus. »Ich musste ihn mehrmals darauf anspre-chen.«
»Wie lange blieb das so?«, fragte Dana.
»Ich würde sagen, etwa Ende November fiel mir
auf, dass er sein inneres Gleichgewicht wieder
gefunden zu haben schien. Ich ging davon aus,
dass die Sache beendet war, die ihn abgelenkt
hatte.«
Als Nächster betrat Tom Sheridan den Zeu-
genstand. »Können Sie uns sagen, seit wann Sie
den Angeklagten kennen?«, fragte ihn Dana.
»Warten Sie mal, ich habe Corey und Elise kurz
nach ihrer Hochzeit kennen gelernt«, antwortete
der Pfarrer der Puget Sound Methodist Church
mit seiner tragenden Stimme. »Das heißt, ich
kenne ihn fast anderthalb Jahre.«
»Und wie oft sahen Sie Corey in diesen andert-
halb Jahren?«
»Wenn er nicht auf See war, sah ich ihn mehr-
mals die Woche.«
»Und was für einen Eindruck gewannen Sie von
ihm?«
»Dass er ein besonnener, fürsorglicher,
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