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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
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mussten, hielten sie dennoch das
    Schlussplädoyer für fast so wichtig wie den ge-
    samten Prozess.
    Dana kam erst nach zehn Uhr erschöpft nach
    Hause. Vor ihrem Haus fanden sich immer weni-
    ger Presseleute ein; die Medien wandten sich nun
    wieder eher dem Prozess als ihrem Privatleben
    zu.
    Sie erklärte höflich: »Kein Kommentar«, und
    schloss die Haustür hinter sich, obwohl die Reporter weitere Fragen schrien. Im Dunkeln sah sie
    das rote Licht des Anrufbeantworters blinken.
    Endlich eine Nachricht von Sam. Er gab nur seine
    neue Adresse und Telefonnummer durch und er-
    kundigte sich nach Molly. Aber Dana konnte
    kaum glauben, wie froh sie war, seine Stimme zu
    hören. Ohne nachzudenken, griff sie nach dem
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    Hörer und wählte seine Nummer. »Hi«, sagte sie,
    als er abnahm. »Hi.«
    »Wie geht’s dir?«
    »Ganz gut«, antwortete er. »Und dir?«
    Sie wollte ihm vom Prozess und Coreys Aussage
    berichten, doch stattdessen sagte sie: »Du fehlst mir. Du fehlst mir so sehr, dass ich gar nicht
    weiß, was ich tun soll.« Sie hörte ihn seufzen.
    »Du fehlst mir auch«, sagte er, und der Schmerz
    in seiner Stimme war unüberhörbar. »Wie geht’s
    Molly?«
    »Gut«, gab Dana zur Antwort. »Sie ist noch bei
    meinen Eltern. Ich hielt es für das Beste, wenn
    sie eine Weile dort bleibt. Meine fünfzehn Minuten Ruhm scheinen vorüber zu sein, aber sicher ist
    sicher, sie muss das nun wirklich nicht mitkrie-
    gen.«
    »Das war eine gute Entscheidung«, sagte er.
    »Wäre es okay, wenn ich sie besuche?«
    »Natürlich. Sie fragt nach dir.«
    »Dann fahre ich morgen rüber«, sagte er. »Wenn
    das Wetter schön ist, können wir zum Hurricane
    Mountain fahren.« Dana schnürte es die Kehle zu.
    Sie waren immer gerne zu dritt in den Olympic
    Mountains gewandert. »Sam«, sagte sie vorsich-
    tig. »Können wir reden?«
    »Ja, müssen wir«, sagte er. »Aber es ist noch zu
    früh.«
    »Okay«, erwiderte Dana. Ihr Herz schmerzte,
    obwohl er sie nicht zurückgewiesen hatte. »Ich
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    will nicht drängen. Wenn… wenn du dazu bereit
    bist.«
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    Brian Ayres, der in seinem besten grauen Anzug
    und einem frisch gestärkten, weißen Hemd vor
    den Geschworenen stand, entsprach in jeder Hin-
    sicht dem Bild des integren, tatkräftigen Staats-
    dieners, der er auch war. Wie ein erfahrener
    Schauspieler hatte er sein Schlussplädoyer eine
    Woche lang vor dem Badezimmerspiegel einstu-
    diert, bis er sich jedes Wort eingeprägt hatte, bis jede Betonung saß, jeder Übergang elegant war.
    Nun musste es ihm nur noch gelingen, seine Re-
    de vor den Geschworenen ebenso überzeugend
    vorzutragen wie vor seinem eigenen Spiegelbild.
    »Meine Damen und Herren, dieser Prozess war
    für mich sehr schwierig, wie gewiss auch für Sie«, begann er mit ernster Miene. »Ich habe keinen
    mir nahe stehenden Menschen bei dem Anschlag
    auf Hill House verloren, aber angesichts der Men-
    schen in diesem Zuschauerraum, die sich tapfer
    hier eingefunden haben, fällt es nicht schwer,
    sich das Grauen und den Schmerz vorzustellen.«
    Es war zehn Uhr am Mittwochmorgen, und in den
    folgenden sechseinhalb Stunden, nur unterbro-
    chen von den üblichen Pausen, legte Brian das
    Beweismaterial erneut dar und demonstrierte,
    wie deutlich es auf Corey Latham hinwies.
    Er zeigte noch einmal Dias des Gerichtsmedizi-
    ners, um sie allen in Erinnerung zu rufen, obwohl die Geschworenen sich sehr genau daran erinner-660

    ten. Die Zeugenaussage von Dr. Pruitt hatte kei-
    ner vergessen können.
    Brian ließ die Zutaten für die Bombe hereinbrin-
    gen, die das FBI ermittelt hatte. Sie wurden auf
    einem Tisch vor den Geschworenen angeordnet,
    dann ließ Brian die Fenster öffnen, setzte eine
    Maske auf und zog zwei Paar Latexhandschuhe
    an. Während er Aspirintabletten zu feinem Pulver
    zerrieb, sprach er über den Tod von Corey
    Lathams ungeborenem Baby.
    »Abtreibung ist eine persönliche Entscheidung«,
    sagte er. »Wenn zwei Menschen damit zu tun ha-
    ben, ohne zuvor in ihrer Beziehung ein festes
    Fundament gelegt zu haben, kann die Wirkung
    einer solchen Erfahrung zerstörerisch sein. Aber
    täuschen Sie sich nicht, es geht in diesem Pro-
    zess nicht um Abtreibung. Und es spielt keine
    Rolle, welche Haltung Sie dazu einnehmen. In
    diesem Prozess geht es um den kaltblütigen Mord
    an einhundertsechsundsiebzig Menschen, darun-
    ter sechsundfünfzig unschuldige Kleinkinder, und
    dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung.« Als er das zermahlene Aspirin mit

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