Mein Wille geschehe
dich da sein und
auch für Molly, wenn du verreisen musst. Ich bin
ganz sicher, dass es funktionieren würde, und ich glaube nicht, dass du es dir leisten kannst, mich abblitzen zu lassen. Außerdem liebe ich euch beide.«
Er war einundvierzig, sein braunes Haar wurde
zusehends schütter, er war furchtbar kurzsichtig
und insgesamt eher unscheinbar. Doch er hatte
die schönsten Hände, die Dana je zu Gesicht be-
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kommen hatte, und ein schiefes Grinsen, das sich
auf seinem Gesicht ausbreitete, wenn er glücklich war. Dana behauptete immer, dieses Grinsen ha-be sie schließlich überzeugt. Doch im Grunde
nahm sie Sams Antrag vor allem wegen Molly an;
die Kleine war vier und brauchte einen Vater.
In den sechs Jahren, die seit ihrer Hochzeit ver-
gangen waren, hatte Dana ihre Entscheidung
nicht einmal bereut. In dem kleinen Haus in der
28th Avenue West in Magnolia herrschte eine At-
mosphäre, die von innerer Wärme, Fröhlichkeit
und Musik geprägt war, und Sam schien sich kei-
ne Gedanken darüber zu machen, welchen Platz
sie ihm in ihrem Leben zuwies.
An Sams siebenundvierzigstem Geburtstag fand
Dana, dass sie nun endlich alles wunderbar im
Griff hatte – Karriere, Kind und ihre Ehe.
Das Telefon klingelte, als sie noch Pancakes buk.
»Sie müssen jetzt gleich herkommen«, sagte Paul
Götter ohne Umschweife. »W7ir brauchen Sie
hier.«
Götter, Boland und Grace war eine enorm erfolg-
reiche Kanzlei. Sie bestand aus nur sieben Teil-
habern und neun angestellten Anwälten, die un-
ermüdlich im Einsatz waren. Die Kanzlei galt als
exzellent, konservativ in der Ausrichtung und so-
lide. Fleiß wurde hier höher eingeschätzt als Leidenschaft. Der Geschäftsführer und die beiden
Mitglieder der Geschäftsleitung, die Seniorpartner Elton Grace und Charles Ramsey, wählten die
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Mandanten mit Bedacht aus und nahmen nur
Vorauszahlungen, wenn sie sich gute Chancen
auf einen Sieg ausrechneten und der Meinung
waren, dass der Fall gut für das Image der Kanz-
lei war. Die Mehrheit ihrer Prozesse gewannen
sie, und die Mandanten bereuten selten den fi-
nanziellen Einsatz, den sie dafür leisten mussten.
Die Kanzlei befand sich in der siebzehnten Etage
des Smith Tower, des mit zweiundvierzig Stock-
werken einst höchsten Gebäudes jenseits des
Mississippi. Viele namhafte Unternehmen der
Stadt waren indessen in modernere Räumlichkei-
ten gezogen, doch Cotter Boland hielt an der Tra-
dition fest. Marmorwände, eine Kassettendecke
mit indianischem Schnitzwerk und Kupferfahr-
stühle, deren Aufzugführer jeden Mieter mit Na-
men kannten, gehörten zu dem gediegenen Am-
biente.
Paul Cotters Büro war ein ausladender rechtecki-
ger Raum, dessen Fensterfront auf einer Seite die Aussicht auf den Puget Sound, auf der anderen
Seite auf das Gericht des King County bot. Als
Dana eintraf, ziemlich abgehetzt, waren die ande-
ren Teilhaber bereits vollzählig versammelt.
»Schön, dass Sie kommen konnten«, sagte Cot-
ter, als hätte sein Anruf ihr eine Wahl gelassen, und geleitete sie zu dem unbesetzten Stuhl neben dem seinen. Man hatte sich an einem edlen
asiatischen Couchtisch niedergelassen. »Wir ha-
ben natürlich auf Sie gewartet, wir wollten die
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Sitzung nicht ohne Sie beginnen.« Die anderen
murmelten zustimmend. Dana ließ sich nieder.
Sie hatte den Eindruck, dass alle anderen bereits wussten, worum es ging, auch wenn sie die Sitzung noch nicht begonnen hatten. Weil Cotter so
dringlich geklungen hatte, hatte sie sich nicht
mehr umgezogen und stellte nun etwas bestürzt
fest, dass die sechs Männer in der Runde Anzug
und Krawatte trugen wie an einem gewöhnlichen
Arbeitstag. Dana verstaute ihre Beine, die in Frei-zeithosen steckten, unter dem Stuhl und wischte
sich über die Nase, für den Fall, dass noch Mehl
daran klebte. »Sie haben gewiss schon gehört,
dass ein junger Marineoffizier namens Latham
festgenommen wurde, weil er unter dem Ver-
dacht steht, die Bombe in Hill House gelegt zu
haben«, fuhr Cotter fort und wandte sich zu ihr.
»Er ist jetzt unser Mandant, und wir möchten,
dass Sie seine Verteidigung übernehmen.«
Dana blinzelte verblüfft. Sie hatte natürlich das Geschehen verfolgt oder, besser gesagt, die Spekulationen, die von den Medien an Stelle von Tat-
sachen verbreitet wurden. Als dann die Nachricht
von der Verhaftung kam, hörte sie sich mit Ge-
nugtuung sämtliche Einzelheiten an und betete
sogar insgeheim, dass die
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