Mein Wille geschehe
was wir machen sollen. Bei
den Kirchen kriegen wir was zu essen, aber was
ist mit allem anderen? Wie die Medizin, als du
krank warst. Wo sollen wir jetzt so was herkrie-
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gen? Alle machen sich schreckliche Sorgen, muss
ich dir sagen.«
Joshua hielt es nicht länger aus. Tränen rannen
über seine Wangen in seine rötlichen Bartstop-
peln. »Tut mir Leid«, brachte er erstickt hervor.
»Ich wollte es wirklich nicht tun.«
»Was nicht tun?«, fragte Big Dug.
»Ich war es«, keuchte Joshua, der nicht mehr an
sich halten konnte. »Ich bin an dem Feuer
schuld.« Der große Mann blinzelte. »Wovon re-
dest du?«
»Das Feuer«, wiederholte Joshua. »Ich bin schuld
an dem Feuer, und es tut mir so Leid. Ich wollte
es nicht.«
»Es war eine Bombe«, sagte Big Dug. »Das Feuer
ist durch die Bombe ausgebrochen.«
»Nein, ich war daran schuld«, sagte Joshua un-
glücklich. »Du hast es mir ja gesagt. Du hast mir gesagt, ich soll nicht dort schlafen, aber der Doktor wollte doch, dass ich gleich am nächsten Mor-
gen zu ihm komme, und ich hatte Angst, dass ich
das vergessen würde. Ich vergesse eben manch-
mal Sachen, und wenn ich den Doktor vergessen
hätte, wäre der böse auf mich, und ich würde
keine Medizin kriegen und nicht mehr gesund
werden.«
»Du hast in der Nacht im Hill House geschlafen?
In der Nacht, bevor die Bombe hochging?«
Joshua sah aus wie ein Häufchen Elend. »Du hast
gesagt, ich soll’s nicht tun, weil dann ein Feuer 70
ausbrechen könnte«, schluchzte er. »Ich weiß
nicht, was ich tun soll. Wegen mir ist Hill House abgebrannt, und jetzt will bestimmt keiner mehr
mein Freund sein.«
Big Dug mochte aussehen wie ein Holzfäller, aber
er war früher einmal Lehrer gewesen. »Nun hör
mir mal ganz genau zu«, sagte er mit möglichst
sanfter Stimme. »Du bist nicht schuld daran,
dass Hill House abgebrannt ist. Ich hab nicht ge-
meint, dass gleich ein Feuer ausbricht, wenn man
dort schläft. Dazu braucht es viel mehr.« Er hielt inne und sah seinen jüngeren Freund von der
Seite an. »Du hast doch bloß da geschlafen, o-
der?«
Joshua nickte. »Hinten im Garten. Da steht so ein kleiner Schuppen, bei den Büschen, und dazwischen ist es warm und gemütlich. Ich wollte doch
nur den Doktor nicht vergessen. Muss ich das
jetzt jemandem sagen?«
»Hm, das kommt darauf an«, antwortete Big
Dug. Es kam zwar selten zu offenen Auseinander-
setzungen zwischen Polizei und den Obdachlosen
der Stadt, aber man war sich auch nicht gerade
wohlgesonnen. »Hast du irgendwas gehört oder
gesehen, das dir verdächtig vorkam?«
»Ich glaub nicht«, sagte Joshua und schüttelte
den Kopf. »Es war ziemlich dunkel, und ich hab ja auch geschlafen.«
»Wenn dir nichts aufgefallen ist, sehe ich keinen Grund, warum du’s erzählen müsstest.«
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Joshua stieß einen erleichterten Seufzer aus.
»Und außer uns muss es keiner wissen?«
»Ich denke nicht«, erwiderte Big Dug. »Das kann
unter uns bleiben, wenn du willst.«
Ein breites Lächeln trat auf Joshuas Gesicht. »Ja, will ich«, sagte er. »Dass es unter uns bleibt.
Versprichst du mir, dass du den anderen nicht
erzählst, was ich gemacht hab?«
»Ich versprech’s dir«, versicherte ihm Big Dug
lächelnd. Dann stand er auf und schlenderte zum
Trinkwasserbrunnen.
Joshua folgte ihm. »Außerdem«, sagte er fröh-
lich, »kann ja der Bote was sagen, wenn er was
gesehen hat.« Big Dug blieb abrupt stehen. »Bo-
te?«, fragte er. »Was für ein Bote?«
»Na, der das Paket gebracht hat.«
»Jemand hat ein Paket ins Hill House gebracht?
In der Nacht, in der du dort geschlafen hast?«
Joshua nickte. »Er hat’s in den Keller getragen.«
Sechs Wochen nach dem Anschlag auf Hill House
setzte sich der Bürgermeister mit dem Polizeiprä-
sidenten zusammen.
»Sind wir irgendwie weiter als, sagen wir mal,
noch vor einer Woche?«, fragte er verzweifelt.
»Ich denke schon«, lautete die Antwort. Die bei-
den Männer hatten sich bereits als Kinder ge-
kannt, und es entsprach nicht den Gewohnheiten
des Bürgermeisters, den Polizeichef unter Druck
zu setzen. Doch er geriet nun selbst unter Druck, und zwar gewaltig, und das passte ihm ganz und
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gar nicht.
»Hast du wenigstens irgendeinen Anhaltspunkt
für mich?«, fragte er geradezu flehentlich.
»Ich weiß, dass die Nachrichtensperre alles ande-
re als leicht für dich war«, sagte der Polizeipräsident. »Aber sie war von entscheidender Wichtig-
keit für
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