Mein Wille geschehe
verschlossenes Tor hätte ihn
nicht aufgehalten, nur die Durchführung seines
Plans erschwert und ihn etwas mehr gefährdet.
Er stieg aus seinem Wagen und überprüfte, dass
er nicht beobachtet wurde. Dann packte er die
Matchbeutel mit der Plastikmasse und trat durch
das Tor. Innerhalb des Zauns verbarg ihn eine
hohe Lorbeerhecke, aber er verlor dennoch keine
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Zeit. Er eilte den Weg zu dem Kellereingang ent-
lang, den er bei seinen Streifzügen entdeckt hat-
te, zog die Falltür auf, stieg die Betontreppe hinunter und platzierte die Beutel an der Stelle, an der sie ihre Wirkung am besten entfalten konnten. Dann überprüfte er noch einmal, ob der
Zünder richtig angebracht war.
Zuletzt kontrollierte er, dass der Zeitzünder auf zwei eingestellt war und das kleine grüne Licht
leuchtete, das bestätigte, dass es sich um zwei
Uhr nachts handelte. Dann stieg er in seinen Wa-
gen und fuhr davon.
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Dana McAuliffe hätte man eher für eine Cheerlea-
derin von der Highschool als für eine erfolgreiche Juristin Ende dreißig halten können. Sie hatte
üppiges honigblondes Haar, das weich um ihre
Schultern schwang und an der Stirn zu einem
fransigen Pony gekämmt war. Für ihre nussbrau-
nen Augen benötigte sie nur einen Hauch Masca-
ra, ihre Wangen waren von Natur aus rosig, und
ihre Nase war mit Sommersprossen übersät und
wurde nie gepudert. Hätte sie nicht ein graues
Kostüm und Pumps getragen, hätte man durch-
aus erwarten können, dass sie die Beine in die
Höhe warf und lautstark »go-team-go« schrie.
Doch sie lehnte sich stattdessen in ihren Sessel
zurück und lächelte gelassen den nervösen Gynä-
kologen an, der ihr am Schreibtisch gegenüber-
saß.
»Sie können ganz beruhigt sein«, erklärte sie.
»Wie ich Ihnen am Telefon schon sagte: Ein sol-
cher Fall kommt äußerst selten vor Gericht. Und
nach Durchsicht Ihrer Unterlagen bin ich der An-
sicht, dass wir selbst dann ziemlich gute Chancen hätten.«
Dr. Joseph Heradia stand der Schweiß auf der
Stirn, obwohl es der erste Dienstag im Februar
war, als er sich in Danas Büro einfand, in dem es aufgrund der veralteten Heizung selten mehr als
zwanzig Grad hatte.
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»Sie müssen wissen, dass ich noch nie verklagt
worden bin«, sagte er unglücklich. »In zwanzig
Jahren nicht ein einziges Mal. Es gibt wahrscheinlich Leute, die sagen würden, ich hätte bloß Glück gehabt. Aber ich habe in mich hineingehorcht,
und ich habe mich nach bestem Wissen und Ge-
wissen für diese armen Menschen eingesetzt.«
»Das weiß ich«, versicherte ihm Dana. »Aber ich
verstehe auch deren Reaktion. Und ich glaube,
wenn sie sich beruhigt haben, werden sie mer-
ken, dass sie Ihnen nicht die Schuld geben kön-
nen.«
»Ich habe ihnen gleich zu Anfang gesagt, dass
man bei einer künstlichen Befruchtung für nichts
garantieren kann«, betonte er. »Das stelle ich
immer vorab klar. Manchmal kann man Mutter
Natur überlisten, doch es gelingt nicht immer.«
Er wirkte hilflos.
Dana seufzte. »Die Jensens wünschten sich
wahrscheinlich mehr als alles andere auf der Welt ein Kind, und Sie waren ihre letzte Hoffnung.
Hoffnung aufzugeben, das kann sehr schwer
sein.«
Der Gynäkologe nickte. »Ich habe ihnen gesagt,
dass sie eine Adoption in Erwägung ziehen sol-
len.«
Die Welt war sonderbar, dachte Dana. Da gab es
Menschen, die sich Kinder wünschten und keine
haben konnten, und andere hatten Kinder und
wollten sie nicht. Sie hatte Heradia die Wahrheit 14
gesagt, wie sie es bei all ihren Mandanten tat. Es war ein Fall ohne Hand und Fuß. »Vielleicht überlegen sie sich das«, bemerkte sie. Der kleine un-
tersetzte Sohn guatemaltekischer Einwanderer
schien in sich zusammenzusinken. »Sie tun mir
nur so Leid«, sagte er.
Er ist ein anständiger Bursche, dachte Dana, wie
schon häufig. »Ich werde mal mit ihrem Anwalt
reden«, schlug sie vor, ohne zu erwähnen, dass
dieser gegen eine entsprechende Summe jeden
Fall annehmen würde. »Vielleicht sehen sie ein,
dass hier niemand Schuld hat – weder Sie, weil
Sie keine Wunder bewirken können, noch die
Jensens selbst, weil sie keine Kinder bekommen.
Dann gelingt es uns vielleicht, das Ganze vom
Tisch zu bekommen.«
»Da wäre ich Ihnen sehr dankbar«, sagte er er-
leichtert, weil er das Gefühl hatte, sich mit seinem Problem an die richtige Person gewandt zu
haben. »Und vielen Dank auch, dass Sie mich so
kurzfristig empfangen haben.« Dana
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