Mein Wille geschehe
jagen, in dem die Abtreibung vorgenommen wurde, und dabei so viele Menschen wie möglich zu töten?«
»Natürlich nicht.«
»Dann habe ich noch eine weitere Frage. Wie
denken Sie über die Todesstrafe?«
»Ein weiterer umstrittener Punkt, der auch in
meinem Unterricht immer wieder diskutiert
wird«, erwiderte der Lehrer. »Ob wir sie für richtig halten oder nicht, sie ist Gesetz in unserem Land, nicht? Und ich denke, wenn es darauf an-275
kommt, werde ich mich an das Gesetz halten.«
Der Staatsanwalt war zufrieden. Wenn man
schon keinen Verfechter der Frauenrechte an der
Hand hatte, konnte man auch mit jemandem
auskommen, der wenigstens nicht dagegen ein-
gestellt war.
»Wie denken Sie über die Abtreibung?«, fragte
Brian eine vierzigjährige, geschiedene Immobi-
lienmaklerin aus Bellevue.
»Ich denke, dass jede Frau über ihren Körper
selbst entscheiden sollte«, antwortete Karleen
McKay, Geschworene Nummer 14.
»Sind Sie über diesen Fall informiert?« Die att-
raktive brünette Frau zuckte die Achseln. »Wie ist das anders möglich? Da müsste man blind und
taub sein. Wir werden ja seit Monaten damit
förmlich überschüttet.«
»Meinen Sie, dass diese Informationen Sie in ir-
gendeiner Weise beeinflusst haben?«
»Nicht wirklich. Vor allem wenn man bedenkt,
dass alles, was verbreitet wurde, ziemlich einseitig war.«
»Sie glauben also, dass Sie unvoreingenommen
bleiben könnten, wenn man Sie als Geschworene
für diesen Prozess auswählt?«
»Ja, das glaube ich.«
Brian warf ihr ein anerkennendes Lächeln zu, das
sowohl ihrem Aussehen als auch ihren Aussagen
galt, und setzte sich wieder.
»Sie sagten gerade, alles, was Sie bislang über
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diesen Fall gehört haben, sei Ihnen sehr einseitig vorgekommen«, begann Dana ihre Befragung.
»Kann ich demnach davon ausgehen, dass Sie
das Interview von Barbara Walters im Juli nicht
gesehen haben?«
»Doch, ich habe es gesehen«, antwortete Kar-
leen.
»Und wie kam das bei Ihnen an im Vergleich zu
den anderen Informationen über diesen Fall?«
»Na ja, um ehrlich zu sein: Es war überhaupt das
erste Mal, dass ich in der ganzen Zeit etwas Positives über Ihren Mandanten gehört habe«, erwi-
derte die Maklerin. »Sonst wurde er immer in ei-
nem schlechten Licht gezeigt. In diesem Inter-
view bekam man den Eindruck, dass er eigentlich
ein netter Mensch ist, dass er kultiviert ist und bestimmte Werte hat und so. Aber es waren na-türlich seine Eltern, die interviewt wurden, es war also zu erwarten, dass die ihn so positiv wie möglich darstellen.«
»Meinen Sie, dass dieses Interview den Blick auf
diesen Fall verändert hat?«
»ja, ich denke schon. Die Polizei und die Staats-
anwälte haben sich echt ins Zeug gelegt, den An-
geklagten zu verteufeln. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich weiß, dass es zu ihrer Arbeit gehört, das zu tun. Aber das Interview mit den Eltern war irgendwie rührend, so dass man Corey Latham
als Mensch sehen konnte. Das gefiel mir.«
»Ich habe herausgehört, dass Sie für das Recht
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auf Abtreibung sind«, fuhr Dana fort. »Das
stimmt.«
»Ist das Ihre private oder Ihre politische An-
sicht?« Die Mäklerin zuckte die Achseln. »Ich
wüsste nicht, wo man da eine Trennlinie ziehen
sollte. Ich glaube fest daran, dass das Recht auf Abtreibung zu unseren Rechten als freie Menschen gehört. Ich möchte gar nicht darüber
nachdenken, was passieren würde, wenn wir die-
ses Recht nicht mehr haben sollten. Glaube ich
deshalb, dass man Abtreibung quasi als verspäte-
te Verhütung einsetzen sollte? Keinesfalls. Würde ich mich für eine Erhaltung des Rechts darauf
einsetzen? Ja, ich denke, wenn man mir dieses
Recht nehmen wollte, würde ich das wohl tun.
Aber würde ich deshalb militant werden wie man-
che Leute? Wohl eher nicht.«
»Darf ich Sie fragen, ob Sie jemals selbst eine
Abtreibung durchführen ließen?«
»Ja«, antwortete Karleen gelassen. »Vor einigen
Jahren, und ich glaube, dass das damals für mich
die richtige Entscheidung war. Ob ich sie heute
noch einmal so treffen würde?« Sie zuckte die
Achseln. »Das weiß ich nicht. Aber ich würde je-
denfalls nicht wollen, dass mir jemand meine
Entscheidung vorschreibt.«
»Danke für Ihre Offenheit«, sagte Dana freund-
lich. »Nun, eben sagten Sie dem Vertreter der
Anklage, dass Sie glauben, während dieses Pro-
zesses unvoreingenommen bleiben zu können.
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Verzeihen Sie mir, aber ich muss Ihnen
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