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Mein Wille geschehe

Mein Wille geschehe

Titel: Mein Wille geschehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Sloan
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unvoreingenomme Menschen«, sagte
    Dana. »Die Chancen, dass wir die kriegen, gehen
    gegen Null. Also sollten wir uns vermutlich mög-
    lichst viele Abtreibungsgegner aussuchen.«
    »Was natürlich heißt, dass die Gegenseite sich
    die Abtreibungsbefürworter rauspickt«, sagte
    Joan und rümpfte die Nase angesichts dieses
    Vorgehens.
    »So funktioniert das in einem System gleicher
    Kräfte«, bestätigte Dana.
    Abraham Bendalis Gerichtssaal passte gut zu dem
    Richter. Der Raum war groß und hoch und aus
    irgendeinem Grund verschont geblieben von dem
    Renovierungseifer, den man in den siebziger Jah-
    ren an den Tag legte. Der Linoleumboden, dem
    man sein Alter ansah, war unangetastet geblie-
    ben, ebenso wie die schweren dunklen Holzein-
    bauten.
    An den Wänden hingen Porträts einiger Vorgän-
    ger des Richters, die streng auf die Szenen im
    Gerichtssaal herunterblickten. Die Richterbank
    war so gewaltig, dass Bendali beinahe klein wirk-
    te, wenn er dort saß. Drei Stufen unter ihm eilte gewöhnlich sein Team umher, fleißig wie die A-meisen. Es hieß, man habe ihm diesen Saal zu-
    gewiesen, weil er als Einziger groß genug für ihn war.
    Direkt vor ihm standen zwei ausladende recht-
    eckige Tische mit schweren Holzstühlen. Ange-
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    klagter und Verteidigerin würden rechts von Ben-
    dali sitzen, die Vertreter der Anklage an dem
    Tisch bei der Geschworenenbank. Hinter diesen
    Tischen befanden sich die Zuschauerreihen, die
    den Richter herzlich wenig interessierten und die man offenbar für Büßer gebaut hatte, denn die
    sechs Holzbänke mit den hohen Lehnen waren
    entsetzlich unbequem. Um acht Uhr am Diens-
    tagmorgen saß der Richter in seinem gewaltigen
    Lederstuhl im Gerichtssaal, einen Becher Kaffee
    vor sich. Er blickte auf die leeren Sitzplätze und sann über den bevorstehenden Prozess nach, der
    sein letzter sein würde. Er hatte die Entscheidung getroffen, in den Ruhestand zu gehen, doch das
    wusste noch niemand. Und was für ein Prozess,
    dachte er, wie er auch ausgehen mag. Bendali
    war weder taub noch blind. Er wusste, was sich
    seit Monaten draußen abspielte, und er wusste
    auch, dass das mit dem Anschlag auf Hill House
    wenig zu tun hatte. Außerdem war ihm bewusst,
    dass er sich in Kürze hier in diesem Saal damit
    auseinander zu setzen hatte. Der Hill-House-Pro-
    zess würde wohl der schwierigste Prozess seiner
    gesamten Laufbahn werden.
    Er trank einen Schluck Kaffee. Seit vierzigJahren stand er im Dienst der Justiz, und er fand, dass
    dieses Verfahren ein würdiges Ende seiner Lauf-
    bahn war.
    Um Viertel vor neun betrat Robert Niera leise den Gerichtssaal. Der dreißigjährige Gerichtsdiener
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    hatte große dunkle Augen und ein freundliches
    Gesicht und ähnelte ein wenig einem Murmeltier.
    Er räusperte sich behutsam, woraufhin Bendali
    aufblickte.
    »Es ist Viertel vor, Euer Ehren«, sagte Robert.
    »Oh, schon?«, murmelte der Richter. »Danke,
    Robert.« Er hievte sich aus seinem Stuhl, warf
    einen letzten Blick auf den Ort, der über zwei
    Jahrzehnte sein zweites Zuhause gewesen war,
    und zog sich in seine Arbeitsräume zurück. Der
    Gerichtsdiener nahm den Kaffeebecher und folgte
    ihm. Robert hätte es nicht zugelassen, dass man
    seinen Richter zu Gesicht bekam, bevor er offi-
    ziell in Erscheinung trat.
    Dana betrat Abraham Bendalis Gerichtssaal und
    schritt zwischen den Zuschauerreihen hindurch.
    Ihre Absätze klackten auf dem gebohnerten Lino-
    leum.
    Zum neunten Mal übernahm sie die Verteidigung
    in einem Prozess, der von Bendali geleitet wairde, und etwas in diesem Gerichtssaal erinnerte sie
    immer an ihre Kindheit und ihren Vater. Er strahl-te etwas Unangreifbares aus, Tradition, eine alt-
    modische Form von Integrität. Sie hatte sich an
    diesem Ort immer geborgen gefühlt und voller
    Vertrauen, dass hier die Gerechtigkeit das Sagen
    hatte.
    Als sie zu ihrem Tisch trat, hoffte sie mehr denn je, dass dieses Gefühl sie nicht trügen würde.
    »Warum meine ich immer, ich müsste flüstern,
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    wenn ich hier reinkomme?«, fragte Joan Wills
    hinter ihr. »Als sei ich in einer Kirche oder so.«
    Dana lächelte erfreut. »Spürst du das auch?«,
    erwiderte sie. »Wenn du meinst, ob ich außer mir
    bin vor Angst, dann ja«, antwortete Joan. »Es
    kommt mir vor, als würde der Herrgott selbst je-
    den Moment über mich hereinbrechen, weil ich
    die Frechheit besitze, diesen Raum zu betreten.«
    Dana schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine die-
    ses Gefühl von Hoffnung«, sagte

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