Mein Wille geschehe
unvoreingenomme Menschen«, sagte
Dana. »Die Chancen, dass wir die kriegen, gehen
gegen Null. Also sollten wir uns vermutlich mög-
lichst viele Abtreibungsgegner aussuchen.«
»Was natürlich heißt, dass die Gegenseite sich
die Abtreibungsbefürworter rauspickt«, sagte
Joan und rümpfte die Nase angesichts dieses
Vorgehens.
»So funktioniert das in einem System gleicher
Kräfte«, bestätigte Dana.
Abraham Bendalis Gerichtssaal passte gut zu dem
Richter. Der Raum war groß und hoch und aus
irgendeinem Grund verschont geblieben von dem
Renovierungseifer, den man in den siebziger Jah-
ren an den Tag legte. Der Linoleumboden, dem
man sein Alter ansah, war unangetastet geblie-
ben, ebenso wie die schweren dunklen Holzein-
bauten.
An den Wänden hingen Porträts einiger Vorgän-
ger des Richters, die streng auf die Szenen im
Gerichtssaal herunterblickten. Die Richterbank
war so gewaltig, dass Bendali beinahe klein wirk-
te, wenn er dort saß. Drei Stufen unter ihm eilte gewöhnlich sein Team umher, fleißig wie die A-meisen. Es hieß, man habe ihm diesen Saal zu-
gewiesen, weil er als Einziger groß genug für ihn war.
Direkt vor ihm standen zwei ausladende recht-
eckige Tische mit schweren Holzstühlen. Ange-
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klagter und Verteidigerin würden rechts von Ben-
dali sitzen, die Vertreter der Anklage an dem
Tisch bei der Geschworenenbank. Hinter diesen
Tischen befanden sich die Zuschauerreihen, die
den Richter herzlich wenig interessierten und die man offenbar für Büßer gebaut hatte, denn die
sechs Holzbänke mit den hohen Lehnen waren
entsetzlich unbequem. Um acht Uhr am Diens-
tagmorgen saß der Richter in seinem gewaltigen
Lederstuhl im Gerichtssaal, einen Becher Kaffee
vor sich. Er blickte auf die leeren Sitzplätze und sann über den bevorstehenden Prozess nach, der
sein letzter sein würde. Er hatte die Entscheidung getroffen, in den Ruhestand zu gehen, doch das
wusste noch niemand. Und was für ein Prozess,
dachte er, wie er auch ausgehen mag. Bendali
war weder taub noch blind. Er wusste, was sich
seit Monaten draußen abspielte, und er wusste
auch, dass das mit dem Anschlag auf Hill House
wenig zu tun hatte. Außerdem war ihm bewusst,
dass er sich in Kürze hier in diesem Saal damit
auseinander zu setzen hatte. Der Hill-House-Pro-
zess würde wohl der schwierigste Prozess seiner
gesamten Laufbahn werden.
Er trank einen Schluck Kaffee. Seit vierzigJahren stand er im Dienst der Justiz, und er fand, dass
dieses Verfahren ein würdiges Ende seiner Lauf-
bahn war.
Um Viertel vor neun betrat Robert Niera leise den Gerichtssaal. Der dreißigjährige Gerichtsdiener
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hatte große dunkle Augen und ein freundliches
Gesicht und ähnelte ein wenig einem Murmeltier.
Er räusperte sich behutsam, woraufhin Bendali
aufblickte.
»Es ist Viertel vor, Euer Ehren«, sagte Robert.
»Oh, schon?«, murmelte der Richter. »Danke,
Robert.« Er hievte sich aus seinem Stuhl, warf
einen letzten Blick auf den Ort, der über zwei
Jahrzehnte sein zweites Zuhause gewesen war,
und zog sich in seine Arbeitsräume zurück. Der
Gerichtsdiener nahm den Kaffeebecher und folgte
ihm. Robert hätte es nicht zugelassen, dass man
seinen Richter zu Gesicht bekam, bevor er offi-
ziell in Erscheinung trat.
Dana betrat Abraham Bendalis Gerichtssaal und
schritt zwischen den Zuschauerreihen hindurch.
Ihre Absätze klackten auf dem gebohnerten Lino-
leum.
Zum neunten Mal übernahm sie die Verteidigung
in einem Prozess, der von Bendali geleitet wairde, und etwas in diesem Gerichtssaal erinnerte sie
immer an ihre Kindheit und ihren Vater. Er strahl-te etwas Unangreifbares aus, Tradition, eine alt-
modische Form von Integrität. Sie hatte sich an
diesem Ort immer geborgen gefühlt und voller
Vertrauen, dass hier die Gerechtigkeit das Sagen
hatte.
Als sie zu ihrem Tisch trat, hoffte sie mehr denn je, dass dieses Gefühl sie nicht trügen würde.
»Warum meine ich immer, ich müsste flüstern,
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wenn ich hier reinkomme?«, fragte Joan Wills
hinter ihr. »Als sei ich in einer Kirche oder so.«
Dana lächelte erfreut. »Spürst du das auch?«,
erwiderte sie. »Wenn du meinst, ob ich außer mir
bin vor Angst, dann ja«, antwortete Joan. »Es
kommt mir vor, als würde der Herrgott selbst je-
den Moment über mich hereinbrechen, weil ich
die Frechheit besitze, diesen Raum zu betreten.«
Dana schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine die-
ses Gefühl von Hoffnung«, sagte
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