Mein Wille geschehe
diese
Frage stellen – meinen Sie wirklich, dass Sie Ihre persönliche Erfahrung aus Ihrer Entscheidung
heraushalten können?«
Die Maklerin seufzte. »Schauen Sie, ich habe
mich nicht darum gerissen, hier zu sein«, antwor-
tete sie. »Ich wurde vorgeladen. Gut, ich bin hier.
Ehrlich gesagt wäre ich lieber in Tahiti, aber ich meine, dass man seine Pflichten erfüllen sollte.
Ich bin also bereit, in diesem Fall als Geschwore-ne anzutreten, wenn Sie das wünschen. Oder
auch nicht, wenn Sie sich gegen mich entschei-
den. Glaube ich, dass Abtreibung vor dem Gesetz
erlaubt sein sollte? Ja, das glaube ich. Glaube ich deshalb automatisch, dass der Angeklagte hier
schuldig ist? Nein, das glaube ich nicht. Das ist meine Meinung. Der Rest liegt bei Ihnen.«
Lucy Kashahara hatte ein Zeichensystem entwi-
ckelt für die Beurteilung der potenziellen Ge-
schworenen. Ein Quadrat neben dem Namen be-
deutete, dass sie jemanden für bestens geeignet
hielt, Corey Latham gerecht zu beurteilen. Ein X
hieß, dass man diese Person auf jeden Fall aus-
schließen sollte. Dann gab es Kreise für Perso-
nen, die sich in ihrer Haltung vermutlich als neutral erweisen würden, und Fragezeichen bei jenen,
die sie für riskant hielt. Neben Rose Gregorys
Namen befand sich ein Quadrat, bei Stuart Dünn
ein Kreis, und bei Karleen McKay sah Dana das
Fragezeichen. »Du denkst doch nicht wirklich
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daran, sie zu nehmen?«, raunte Joan, als sie Da-
nas Zögern bemerkte. »Sie ist doch hundertpro-
zentig für die Abtreibung. Sie wird sich auf die
Seite der Anklage schlagen.«
»Ich weiß, aber sie hat klar gesagt, dass sie ei-
gentlich lieber nicht hier wäre«, raunte Dana zu-
rück. »Das heißt, sie will nicht irgendwas Persönliches durchsetzen. Ich glaube nicht, dass Bendali eine Freistellung wegen Befangenheit akzeptieren
wird, und wir haben nur noch eine kategorische
Ablehnung frei. Ich fürchte, es könnte noch
schlimmer kommen.«
»Ich würde sie nehmen«, merkte Charles Ramsey
an. »Glauben Sie, dass McAuliffe McKay nimmt?«,
fragte Mark Hoffman Brian.
»Sie hat nur so viele Ablehnungen frei wie wir«,
gab Brian zur Antwort. »Ein paar Risikokandida-
ten wird sie durchgehen lassen müssen.«
Die erfolgreiche Krimiautorin Allison Ackerman
wurde in dem Monat, in dem man die Geschwo-
renen für den Latham-Prozess auswählte, sechzig
Jahre alt. Mit ihrer Pfirsichhaut und ihren üppigen kastanienbraunen Haaren sah sie eher aus wie
vierzig. Drei Wochen lang verbrachte sie ihre Ta-
ge weitgehend in Raum C701, wo sie las, Solitai-
re spielte, Kreuzworträtsel löste und zusah, wie
die anderen potenziellen Geschworenen kamen
und gingen. Mit der vorletzten Gruppe von zwan-
zig Personen wurde sie schließlich in den neunten Stock geleitet.
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Als die Reihe an ihr war, den Gerichtssaal zu be-
treten, folgte sie dem Gerichtsdiener zur Ge-
schworenenbank, ließ sich in einem schwarzen
Ledersessel nieder und atmete tief durch. Der
Richter war eine imposante Gestalt, die auch aus
einem ihrer Bücher hätte stammen können, ein
Koloss von einem Mann, der einerseits kaum zu-
zuhören schien, andererseits jedoch jede Kleinig-
keit in dem Gerichtssaal, über dem er thronte,
registrierte. Die Anwälte wirkten dagegen regel-
recht klein. Nicht mickrig oder unbedeutend, son-
dern einfach sehr klein, als könnten sie in dem
großen Raum verloren gehen, wenn sie nicht auf-
passten.
Schließlich wandte die Schriftstellerin ihre Auf-
merksamkeit dem Angeklagten zu. Still saß er an
dem Tisch auf der anderen Seite des Saals. Er
trug Jeans und ein blaues Hemd und schien den
Gesprächen um ihn her zuzuhören, doch er
machte keine Anstalten, sich einzumischen. Alli-
son wusste, dass der Angeklagte im Laufe der
letzten Monate zu einer Art Aushängeschild der
Abtreibungsgegner geworden war, und sie muss-
te zugeben, dass er sich gut dafür eignete. Er sah frisch und sympathisch aus. Sich Corey Latham
als kaltblütigen Terroristen vorzustellen fiel
schwer. Die Krimiautorin war keine Befürworterin
der Todesstrafe. Doch in diesem Fall würde es ihr leicht fallen, den Angeklagten zum Tode zu verurteilen, wenn es tatsächlich so aussehen sollte, als 281
habe er den Anschlag auf Hill House verübt. »Wa-
rum wollen Sie bei diesem Prozess als Geschwo-
rene tätig sein?«, fragte Brian, was sie einiger-
maßen verblüffte. »Verzeihung«, sagte sie. »Mir
war nicht bewusst, dass ich das
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