Mein Wille geschehe
wollte.«
»Nun, wie ich gehört habe, haben Sie bereits in
drei Fällen Gründe angegeben, aus denen Sie
nicht als Geschworene in einem Prozess antreten
konnten.«
»Ja, in einem Zeitraum von zehn Jahren, aber
soweit ich mich erinnern kann, stand ich zweimal
mit einem Manuskript unter Zeitdruck«, erwiderte
die Autorin ungerührt. »Beim dritten Mal war,
glaube ich, eine Lesereise geplant, die mein Ver-
lag nicht mehr absagen konnte.« Doch Brian ließ
sich nicht abspeisen. »Und bei diesem Prozess
fanden Sie keinen Grund abzulehnen?«
»Ich habe es nicht versucht.«
»Nun, dann sehen Sie diesen Fall vielleicht als
Stoff für einen zukünftigen Roman? Vielleicht ist Ihr Agent schon in Verhandlungen mit Ihrem Verleger eingestiegen?« Allison ließ sich nicht im
Mindesten einschüchtern. »Tut mir Leid, aber ich
schreibe keine Gerichtsthriller«, sagte sie lä-
chelnd.
»Aber Sie schreiben doch über Mord?«
»() ja. Auf jede erdenkliche Weise.«
»Würden Sie sagen, dass das Schreiben über
Mord Sie dem realen Tod gegenüber gleichgültig
gemacht hat?«
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»Wohl kaum«, gab Allison mit leicht amüsiertem
Unterton zur Antwort. »Da ich davon lebe, nehme
ich jeden Mord sehr ernst. Mindestens so ernst
wie Sie, schätze ich.«
»Und glauben Sie, dass Sie während des Prozes-
ses unvoreingenommen sein können?«
»Aber sicher.« Sie senkte die Stimme ein wenig.
»Ich verrate Ihnen ein kleines Geheimnis. Ich
entscheide erst am Ende des Buches, wer der
Schurke ist.«
Brian runzelte leicht die Stirn, als er sich niederließ. Hier hatte er es mit einer Frau zu tun, die als Geschworene perfekt für die Anklage gewesen
wäre, aber sie spielte mit ihm, forderte ihn her-
aus. Er kam nicht ganz dahinter, was es war, a-
ber etwas an ihr behagte ihm nicht. Vielleicht der Eindruck, dass sie ihre feministische Haltung wie einen Schutzschild vor sich hei trug. Andererseits trat sie vehement für das Recht auf Abtreibung
ein, und er würde sie wohl brauchen.
»Unser Berater sagt, sie ist Mitglied von FOCUS«, raunte Mark ihm begeistert zu.
»Weiß ich«, erwiderte Brian mit einem Seufzer.
»Aber ich hab so ein Gefühl, als ob was nicht
stimmt mit ihr.«
»Wir haben nur noch eine Ablehnung frei«, rief
Mark ihm in Erinnerung. »Wollen Sie die wirklich
auf sie verschwenden?«
»Nein.«
»Wahrscheinlich wird McAuliffe sie ohnehin ab-
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schießen.«
»Hoffen wir’s«, sagte Brian.
Dana starrte auf das dicke schwarze X neben Alli-
son Ackermans Namen. Ihr gesunder Menschen-
verstand und Lucy Kashahara rieten ihr davon ab,
die Autorin auszuwählen, aber irgendetwas hin-
derte sie noch daran, sie auszuschließen, und
zwar nicht zuletzt die Tatsache, dass ihr nur noch eine Ablehnung blieb.
»Sie sind Feministin, nicht wahr?«, sagte sie
freundlich. »Ja, das kann man so sagen«, erwi-
derte die Schriftstellerin prompt.
»Und Sie waren von Anfang an in der Frauenbe-
wegung aktiv, nicht wahr?«
»Ja. Ich bin der Meinung, dass Frauen viel zu
lange ihre Rechte zurückgestellt haben, um die
Unsicherheiten von Männern auszugleichen. Wir
leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, um
Himmels willen. Wird es nicht endlich Zeit, dass
wir über unser Leben, unseren Geist, unseren
Körper selbst bestimmen?«
»Finden Sie, dass man um jeden Preis gewinnen
muss?«
»In welchem Zusammenhang?«
»Ich möchte wissen, ob Sie sich in der Lage se-
hen, diesen Prozess unabhängig von Ihrer per-
sönlichen Überzeugung zu betrachten. Oder ob
Sie einen unschuldigen Mann opfern würden, um
ein Exempel für den Feminismus zu statuieren?«
Dana meinte, eine Spur von Anerkennung in den
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Augen der anderen Frau zu sehen.
»Die erste Frage kann ich mit Ja beantworten«,
erklärte die Krimiautorin. »Die zweite mit Nein.
Jedenfalls dann, wenn ich von der Unschuld des
Mannes überzeugt bin.«
»Glauben Sie, dass Corey Latham den Anschlag
auf Hill House verübt hat?«
Allison zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ah-
nung«, erwiderte sie. »Und ich schätze, ich werde diese Frage erst beantworten können, wenn ich
über die Beweislage umfassend informiert wair-
de.«
Dana sah die Frau noch einmal prüfend an. Eine
Ablehnung blieb ihr, und noch drei weitere Ge-
schworene standen zur Auswahl. Einen kurzen
Moment hatte sie geglaubt, Brian würde die Auto-
rin ablehnen, doch er hatte es nicht getan. Viel-
leicht wollte er nichts riskieren, verließ sich auf sie und sparte sich
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