Mein Wille geschehe
sie. »Ich bin
immer voller Hoffnung, wenn ich in diesen Saal
komme.«
Pünktlich um neun Uhr wurde der Prozess eröff-
net. »Bitte erheben Sie sich«, sagte Robert Niera mit seiner voll tönenden Stimme. »Der Strafpro-zess Das Volk des Bundesstaats Washington gegen Corey Dean Latham im Department fünfundsechzig der Großen Strafkammer des King County
ist hiermit eröffnet. Den Vorsitz hat Richter Abraham Bendali.« Außer den Anwälten beider Seiten
und ihren Mitarbeitern hatten sich nur wenige
Zuschauer eingefunden, vorwiegend Reporter.
Alle erhoben sich. Dann ging die Tür zu den
Räumen des Richters auf, und Bendali schritt
heraus, nahm seinen Platz in der Bank ein und
blickte hinunter in den Saal.
Der Angeklagte wurde von Dana McAuliffe vertre-
ten, was Bendali mit Freuden sah. Corey Latham,
der sichtlich nervös neben ihr stand, hatte einen starken Verteidiger wahrlich nötig. Links von Da-268
na standen ihre Vertreter, darunter auch das alte Schlachtross Charles Ramsey.
Auf der anderen Seite des Gangs blickten Brian
Ayres, sein junger Assistent und zwei weitere
Herren zu ihm auf, die alle geschniegelt waren
und zuversichtlich aussahen, wie es sich für die
Vertreter des Staates gehörte. »Nehmen Sie
Platz«, verkündete der Richter. Am Tag zuvor
hatte Bendali sich mit den üblichen, in letzter Minute eingereichten Anträgen abgeben müssen
und sich dann der Auswahl der Geschworenen
zugewandt. Joan Wills und Mark Hoffman waren
anwesend gewesen, während er die Personen
befragte, die um Freistellung wegen sozialer Um-
stände gebeten hatten, da ihre Tätigkeit als Ge-
schworene entweder ihre Existenzgrundlage oder
ihre Lebensbedingungen bedrohen würde. Von
den einhundertzwanzig einbestellten Leuten hat-
ten nur sechs um diese Freistellung gebeten, und
nach kurzen Gesprächen gewährte der Richter sie
allen. Nun begann die eigentliche Auswahl der
zwölf Geschworenen und ihrer vier Vertreter.
Bendali wandte sich zu seinem Gerichtsdiener.
»Fangen wir an«, sagte er.
Robert Niera griff zum Telefon. Zwanzig Minuten
später wurden die ersten zwanzig potenziellen
Geschworenen, deren Nummern von einer Los-
trommel ausgewählt worden waren, von ihrem
Aufenthaltsraum in ein Zimmer neben dem Ge-
richtssaal geleitet. Sie würden nun einzeln her-
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eingeführt werden, sich auf der Geschworenen-
bank niederlassen und die Fragen der Anwälte
beider Seiten beantworten. »Sind wir bereit?«,
flüsterte Dana Lucy Kashahara zu, die rechts von
ihr saß.
»So weit möglich«, flüsterte Lucy zurück. Craig
Jessup beugte sich vor. »Keine Sorge«, sagte er
mit einem Blick auf die geschniegelten Herren am
Tisch der Anklage. »Ich kenne die Gegenseite.
Wir sind auf Zack.«
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Drei Wochen später hatte man lediglich fünf Ge-
schworene ausgewählt, und das Schneckentempo
zerrte an jedermanns Nerven, vor allem an denen
von Abraham Bendali. »Ich habe über Labor Day
bei Rosario reserviert«, verkündete der Richter.
»Da will ich eine Woche mit meiner ganzen Fami-
lie verbringen. Das mag Ihnen nichts bedeuten,
aber ich habe seit zehn Jahren keine Gelegenheit
mehr gehabt, eine Woche mit meiner gesamten
Familie zu verbringen, und ich habe nicht im Min-
desten die Absicht, darauf zu verzichten.« Er
starrte erbost auf die Anwälte und ihre Teams
hinunter. »Habe ich mich klar und deutlich aus-
gedrückt?«
Brian Ayres und Dana McAuliffe sahen sich an
und nickten dann Richter Bendali ernsthaft zu.
Sie spielten eine Art juristisches Schach, was sie beide meisterhaft beherrschten. Keiner von beiden ließ sich darauf ein, einen Zug zu machen,
ohne vorher jeden möglichen anderen Zug erwo-
gen zu haben. Doch nun hatte Richter Bendali sie
angetrieben, und es blieben ihnen nur noch zwei
Wochen, um sieben Geschworene und vier Ver-
treter auszusuchen.
Rose Gregory war mit ihren siebenundsiebzig
Jahren die älteste Person, die man einbestellt
hatte. Die rüstige kleine Großmutter, die als Ge-
schworene Nummer 68 angesprochen wurde, leb-
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te seit über sechzig Jahren in ihrem Haus am
Queen Anne Hill. Sie hatte ihr Leben lang die Re-
publikanische Partei gewählt, war fromme Chris-
tin und verabscheute die Abtreibung. Auch war
sie eine getreue Anhängerin des Reverend Jona-
than Heal und versäumte nie seine abendliche
Gebetsstunde.
»Und andere Arten von Mord?«, fragte Brian Ay-
res. »Verurteilen Sie die auch?«
»Aber selbstverständlich,
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