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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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zugequollenen Augen und dem verschmierten Eyeliner, und sie dachte: Du bist ein widerliches, versoffenes Wrack. Nicht wert, dass dich jemand mag. Du kannst dankbar sein, dass der Typ hinter dir her ist und dir jeden Abend Aufmerksamkeit schenkt, und wenn es nur zwischen Müllcontainern ist. Alle andern sehen sowieso weg.
    Sie schloss die Augen. Ein Tuch vor den Spiegel hängen. Das sollte sie tun.
    Gabriele verließ das WC , hängte den Kittel in den Schrank und klopfte bei Doktor Wittke.
    »Immer herein.«
    Sie steckte den Kopf durch die Tür.
    Wittke schrieb auf seinem Block, wahrscheinlich die Berichte, die seine Angestellten später abtippen mussten. Diktiergeräte und Rechner benutzte er nur selten.
    »Wenn es nichts mehr zu tun gibt, mache ich Feierabend.«
    Ihr Chef legte den Stift weg und faltete die Hände. »Sie sehen angeschlagen aus. Ängstlich. Das Datum?«
    »Datum?«
    »Freitag, der Dreizehnte.« Wittke sah sie reglos an. »Der Tag, an dem schlimme Dinge passieren. Vor allem, wenn man seine Sucht nicht im Griff hat.«
    Wie ein Faustschlag trafen sie die Worte. Sie öffnete den Mund, aber die Silben hielt jemand mit riesigen Widerhaken in ihrem Hals zurück.
    »Bitte, setzen Sie sich kurz zu mir.« Er winkte sie herein.
    Gabriele war, als flösse ihr ganzes Leben aus ihr und versickerte in den Ritzen dieses vertrauten Zimmers. Wittke würde sie rausschmeißen. Und dann würde sie vollends absaufen, im wahrsten Sinne des Wortes. Kein Anker mehr. Nichts. »Bitte, nein«, flüsterte sie. »Ich höre auf zu trinken. Gleich morgen.«
    »Kommen Sie.« Er trat zu ihr, führte sie zu dem Besucherstuhl und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. Wie eine Bastion stand der zwischen ihnen, und Gabriele kam es vor, als würde er immer breiter und trenne sie von der Gesellschaft. Der Welt. »Ich verspreche es«, flüsterte sie.
    Wittkes Augen bohrten sich in ihre. »Sie sind Alkoholikerin. Sie stehlen Medikamente. Sie sind krank, Frau Hofmann. Versprechen helfen da nicht. Das wissen Sie selbst am besten.«
    Sie schluckte, schmeckte das Erbrochene.
Nicht heulen!
    »Holen Sie sich Hilfe.«
    »Hilfe«, wiederholte sie flüsternd, und das Bild ihres Chefs und der Raum verschwammen zu einem tosenden Meer.
    »Ich bin Arzt. Sie sind eine gute Kraft gewesen. Bisher. Aber so« – er wiegte den Kopf – »arbeiten wir nicht länger zusammen.«
    »Nein, bitte, werfen Sie mich nicht raus.«
    »Frau Hofmann. Ich bin ein geduldiger Mensch. Ich toleriere vieles. Ich verstehe vieles. Ich verstehe auch, dass Ihr aktuelles Problem nicht Ihre Sucht ist. Also, was ist los?«
    Sie kaute auf ihrer Unterlippe.
Sag es doch, fette Gabi, jetzt ist sowieso alles egal. Das Leben zu Ende.
»Ich werde verfolgt.«
    »Verfolgt. Aha.« Kalt sah er sie an, und Gabriele dachte, dass er ihr kein Wort glaubte. »Und von wem?«
    Sie zog die Nase hoch. »Von … ich weiß es nicht.« Harald? Jemand, den Harald beauftragt hatte? Kein Mensch würde glauben, dass ihr smarter Ehemann hinter ihr her war. Sie hörte die Leute tuscheln: »Der Mann soll froh sein, dass er das fette Trampeltier los ist.« Mein Gott, wie sie Harald manchmal vermisst hatte. Er hatte alles reparieren können, ihre Kochkünste gelobt, sie »meine feurige Qualle« genannt. Bis er sie betrogen hatte. Bis ihr Gesicht blutig geschlagen und die erste Flasche Wein geleert war. Hinter verschlossenen Türen.
    »Sie sollten aus Ihrem Leben etwas machen. Es ist nie zu spät.«
    »Ohne Job?« Wut mischte sich unter den Schock. Steck dir deine Phrasen sonst wohin, Wittke.
    »Sie könnten als Arzneimittelbotin anfangen.« Er beugte sich weit über den Tisch. Sein Gesicht war wie aus Fels gehauen. Kantig. Dunkel. Schattig. Wie auch seine Stimme: »Ich muss es ja nicht wissen.«
    Das Zimmer begann, sich zu drehen, riss die Wut hinab in einen Strudel Verzweiflung. Montag. Mittagspause. Ihr Besuch bei Thea Roth.
    »Sie haben einen selektiven Serotonin-Aufnahmehemmer verabreicht. Ohne meine Anweisung! Ohne Indikation.«
    Gabriele starrte auf den hellgrauen Boden. Auf Wittkes Schuhe, die sie irgendwann einmal für ihn bei einem Versand für Gesundheitsschuhe bestellt hatte.
    »Ich habe alles wieder zurückgebracht«, flüsterte sie. Dann stand sie auf. »Sie sehen mich nicht wieder. Es … es tut mir leid.«
    »Ich werfe Sie nicht hinaus.«
    »Was?« Unsicher hob sie den Blick.
    »Sie machen einen Entzug. Inklusive Psychotherapie. Den Platz besorge ich, das ist bei meinen Verbindungen kein

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