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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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allein atmen konnte und die Knochenbrüche verheilt waren, so dass man Übungen machen konnte, kam sie zur Frührehabilitation in eine Spezialklinik. Aber die meinten nach ein paar Monaten, sie müsse in ein Pflegeheim. Dort ist später das Wunder passiert.« Sie lächelte, sagte eine Weile nichts. »Ich kann es oft noch nicht glauben. Nachdem Mama wieder hier war, hat sie sich prima erholt. Sie ist richtig aufgeblüht. Erst als sie angefangen hat, sich um die alten Nachbarn zu kümmern, ist ihr Gemüt wieder, na ja, verwelkt. Sie liegt oft wach und schwitzt und redet nachts, als verfolgten sie die Dämonen des Unfalls Tag für Tag. Wahrscheinlich tun sie es auch. Mama denkt, ich merke es nicht, aber … also … ich gebe ihr seit einigen Wochen ein leichtes Schlafmittel.«
    Freitag nickte aufmunternd. »Und, hilft es? Ist sie entspannter? Kann sie deswegen Doktor Wittkes Praxis betreten?«
    »Sie hat gesagt, das sei eine gute Übung. Ihre Rückkehr ins Leben. Sie müsse ja nicht ins Behandlungszimmer gehen. Aber ich glaube, der Kontakt mit den alten Leuten hat ihr nicht gutgetan.«
    Ehrlinspiel und Freitag wechselten einen kurzen Blick.
    »Mama hat ständig dem Tod ins Auge gesehen. Und dass sie jetzt wirklich tot sind … das ist eine Katastrophe für sie. Es hat sie aus dem mühsam wiedergewonnenen Leben geworfen. Sie durchlebt die schrecklichen Jahre in dem Pflegeheim noch einmal.« Wieder zitterte ihre Unterlippe, und sie zupfte sich eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel. »Es war ein gutes Heim, medizinisch gesehen, aber die Atmosphäre war … wie der Tod. Lauter alte Leute. Ein durchdringendes Stöhnen und Jammern, und es hat nach Exkrementen und Desinfektionsmittel gestunken, besonders im Sommer, und die Reifen der Rollstühle haben auf dem Linoleum gequietscht. Manchmal hat jemand geschrien, aus Einsamkeit oder aus Beklemmung oder was weiß ich. Mama hat zeitweise wieder an Schläuchen und Geräten gehangen wegen der Ernährung und dem Herz. Und ich, ich …« Eine Träne löste sich aus einem Auge.
    »Sie haben Ihre Mama jeden Tag besucht«, sagte Freitag leise.
    Miriam Roth nickte fast unmerklich. »Das ist wichtig für Komapatienten. Sie brauchen Ansprache und Vertrautes, man muss sozusagen die Bahnen zu ihrem Gehirn wieder finden, ihnen Energie geben, wenn Sie so wollen. Über die Augen und Ohren und über Berührungen.« Sie strich sich mit der einen Hand über die andere. »Aber dafür haben Ärzte und Schwestern keine Zeit. Im Gegenteil. Wenn ich gekommen bin, haben mich alle angestarrt. Als wäre ich nicht bei Sinnen. ›Was wollen Sie denn mit einer quasi Toten‹, haben ihre Blicke mich verhöhnt, und einer der Pfleger hat sich immer an den Kopf getippt. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Dauernd. Und dann haben sie mich von Mamas Bett weggezerrt, die Geräte haben gepiepst, aber ich wollte nicht gehen. ›Ihre Mutter braucht Ruhe‹ und ›Sie können nichts mehr für sie tun‹, haben sie gesagt. Als wäre sie schon da oben bei Gott gewesen.« Sie schluchzte auf. »Und Gott hat sie auch gerettet.«
    Wohl eher die moderne Medizin, dachte der Hauptkommissar und fragte: »Wie kann Ihre Mutter die Zeit, die sie im Koma lag, denn jetzt bewusst durchleben?«
    Miriam lachte auf und zog die Nase hoch. »Sie sind genau wie alle anderen, Herr Ehrlinspiel. Sie denken, wenn jemand bewusstlos ist, kriegt er nichts mit. Ausgeknipst und Ende. Weit gefehlt!« Sie beugte sich vor. Ihre Wimpern glänzten. »Leute im Koma hören alles. Sie spüren genau, wer ihnen Gutes will und wer Schlechtes.«
    »Das stimmt«, klinkte Freitag sich ein. »Auch bei Sterbenden ist das so. Nach allem, was man weiß.«
    »Aber Ihre Mutter ist wieder ganz hergestellt«, sagte Ehrlinspiel und dachte an das kurze Gespräch mit EG . Keine Folgeschäden.
Das gibt es durchaus.
»Zumindest hat sie keine Sprachstörungen zurückbehalten, keine Lähmungen, nichts. Oder täusche ich mich?«
    »Es war eine Gabe Gottes.« Miriam deutete zu den beiden Engeln auf dem Regal. »Und die da, die beschützen uns.«
    »Haben Sie die getöpfert?«
    »Schön wär’s.« Ihre Miene war jetzt offen und gelöst. »Nein, ich bin für so etwas völlig unbegabt. Pfarrer Müller hat sie gemacht, zusammen mit seinen Kindern. Sie waren ein Geschenk nach Mamas Rückkehr. ›Sie sind nicht perfekt‹, hat er gesagt, ›aber mit Liebe gemacht und treu bis in den Tod. So, wie wir Menschen es auch sein sollten.‹«
    Freitag drehte an seinem Ehering. Ehrlinspiel

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