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Mein wirst du bleiben /

Mein wirst du bleiben /

Titel: Mein wirst du bleiben / Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Busch
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Buchstaben – zum Teil überwachsen und verblasst – im Sonnenuntergang mit dem bleichen Gelb des verwitterten Holzes verschmolzen, während ihr Kopf zuerst leer wurde und sich dann füllte mit dem, was sie langsam begriff. Mit Dingen, nach denen sie so lange gesucht hatte.

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29
    Dienstag, 10. August, 19:30 Uhr
    B enutzt du noch Telefonzellen?«
    »Höchstens wegen der Farbe.«
    Ehrlinspiel grinste und blickte durch die Windschutzscheibe auf Hannas Mazda MX -5 Roadster, unter dessen dunkelpinkfarben changierender Motorhaube einhundertundsechzig PS röhrten und sie durch die Dörfer des Markgräflerlands in den Kaiserstuhl transportierten. Hanna selbst trug wie immer ein pinkfarbenes Kleidungsstück. Heute Abend waren es Stoffschuhe, die mit ihrem leuchtenden Farbton jedes noch so große Telekom-Logo übertrumpften. Der Kriminalhauptkommissar war für Hannas Gesellschaft dankbar, denn seit gestern war die Soko im wahrsten Sinne des Wortes ins Schwitzen geraten. Miriam Roth. War sie eine Mörderin?
    Die Überprüfung ihrer Personalien hatte ergeben, dass sie Physik, Theologie und Musik studiert hatte, nach dem Referendariat aber nicht in den Schuldienst eingetreten war. Das Haus, in dem sie mit Thea Roth gelebt hatte, war vor vielen Jahren von der Mutter auf die Tochter überschrieben worden. Miriam hatte es ein Jahr nach dem Unfall verkauft und war – zunächst allein – in die Draisstraße gezogen. Ein spezialisiertes Pflegeheim, so hatte Josianne Schneider recherchiert, kostete Angehörige zwischen vier- und fünftausend Euro pro Monat. Die Pflegeversicherung erstattete im besten Fall eintausendvierhundertunddreißig Euro. Das konnte neben der psychischen eine enorme finanzielle Belastung sein, die Miriam Roth ohne das Geld aus dem Hausverkauf sicherlich nicht hätte tragen können.
    Er genoss den Fahrtwind in seinem Gesicht und vergaß, dass er schon um fünf Uhr morgens mit dumpfen Kopfschmerzen wach gelegen und das untrügliche Ziehen im Arm gespürt hatte – Vorboten eines drückend heißen Tages. Zum ersten Mal, seit er um zehn Uhr den Soko-Raum verlassen hatte, wo es heute nach Schweiß, Salz und ein wenig nach Eisen roch, trocknete der feuchte Film auf seiner Haut.
    »Also keine Telefonzellen«, sagte er wie zu sich selbst.
    »Willst du deine Mutter anrufen?« Sie warf ihm einen koketten Seitenblick zu. »Du kannst ruhig mein iPhone nehmen.« Sie deutete auf eine Ablage. Das Handy steckte in einer pinkfarbenen Schale.
    »Du vergisst wirklich nichts«, lachte er und wurde leicht gegen die Beifahrertür gedrückt, als Hanna am Ende eines Dorfes in eine langgezogene Linkskurve beschleunigte. Über freien Feldern türmten sich Wolken wie weiße Wolle, unendlich fein gesponnen. Ehrlinspiel hatte im Winter einmal zu Hanna gesagt, er denke gerade an seine Mutter. Es war ein harmloses Geplänkel gewesen.
    »Nicht, wenn ich andere damit später zum Lachen bringen kann. Oder ärgern.«
    »Die Kumulonimbusse verheißen nichts Gutes. Wir sollten vielleicht das Verdeck schließen.« Schon am Mittag hatten kleine, fransenförmige Wolkenhäufchen den Himmel bevölkert, und Ehrlinspiel hatte unwillkürlich an eine der Schafherden am Ufer des Laugh Corrib gedacht, nahe dem Dorf, aus dem seine Mutter stammte. Freiburg schien wie gelähmt gewesen zu sein, als er in der Mittagspause zu Idris geradelt war. Sogar die Autos bewegten sich vermeintlich träge, und er hatte sich vorgestellt, wie ihre Reifen sich zu schwarzem Brei auflösten. Die wenigen Menschen unterwegs hatten fast alle eine Wasserflasche in der Hand gehabt. Manche hatten sich halb auf die riesigen, hölzernen Pflanzenkübel gesetzt, die die Stadt jeden Sommer aufstellte, und im Schatten der hängenden Palmenblätter Schutz gesucht. Selbst Idris, der sonst nie genug Sonne aufsaugen konnte, hatte unter einem dichtbelaubten Baum in seinem Biergarten gesessen, zusammen mit den drei Gästen, die sich überhaupt durch die Glut gewagt hatten.
    »Gewitterboten weisen uns den Weg. Altocumuli flocci.«
    »Feuchtwarme Luft, von der Sonne erwärmt, darüber kältere Luftmassen.« Ehrlinspiel umklammerte die Kante seines Sitzes, als sie sich einer Rechtskurve näherten.
    »Die warme Luft strömt nach oben. Der Wasserdampf kondensiert an der kalten Luftschicht zu Haufenwolken.«
    »Sie verdichten sich … voilà. Gewittertürme.« Er wandte sich zu ihr. Auch ihre Frisur glich einem fein aufgeschichteten Turm, und die winzigen Härchen in ihrem Nacken

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