Mein wirst du sein
Seite gelegt, das Handy in der Hosentasche verstaut und die Füße übereinandergeschlagen.
»Herr Dr. Schönborn …«
»Bitte, lassen Sie den Doktor weg. Da komme ich mir so alt vor.« Es klang wie ein Scherz, und ich lächelte pflichtschuldig.
»Also gut, Herr Schönborn. Ich habe Ihnen bereits mitgeteilt, dass ich Privatdetektivin bin. Ich bin mit der Suche nach Susanne Dauber beauftragt worden.« Ich holte das Foto hervor und legte es vor ihn auf den Tisch.
»Ich kenne Frau Dauber«, sagte er überrascht, beugte sich vor und sah das Foto an. »Susanne. Ich wusste nicht, dass sie verschwunden ist.«
»Seit letzter Woche Mittwoch.«
»Tatsächlich? Ich habe sie letzte Woche noch getroffen. Am Dienstag, wenn ich mich richtig erinnere. Wir hatten uns zu einem Eiskaffee verabredet.«
»Um wie viel Uhr war das?«
»Um zwei.«
Das war einer der Termine gewesen, die lediglich mit einem Kreis um die Uhrzeit versehen waren. Zwischenzeitlich vermutete ich, dass Susanne ihre Dates so gekennzeichnet hatte, damit ihr Mann ihr nicht auf die Schliche kam. Das war wohl danebengegangen.
»Was ist denn passiert?«
»Nun, wie ich bereits sagte, sie ist am Mittwoch verschwunden. Niemand hat sie seither gesehen, und ich wurde mit der Suche nach ihr beauftragt. Sie geben zu, dass Sie sie kannten?«
»Ja sicher. Ich habe auf eine Zeitungsannonce geantwortet. Wissen Sie, ich habe nicht viel Zeit Frauen kennenzulernen. Ich bin so eingespannt mit Nachtschichten und Überstunden, dass ich froh bin, wenn ich abends nach Hause kommen und die Füße hochlegen kann. Da habe ich keine Lust mehr wegzugehen. Auf gepflegte Unterhaltung und gemeinsames Essen möchte ich trotzdem nicht verzichten.«
»Dann hatte ich ja Glück, dass Sie heute Zeit hatten.«
»Ich gebe zu, als ich hörte, dass Sie Privatdetektivin sind, bin ich neugierig geworden. Erstens wollte ich wissen, warum Sie ausgerechnet mit mir sprechen wollten, und zweitens habe ich noch nie eine Privatdetektivin kennengelernt.«
»Wie ist Ihr Treffen mit Susanne verlaufen?«
Dr. Schönborn nahm das Foto und betrachtete es.
»Ich würde sagen, sehr gut. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch, was auch nicht alle Tage vorkommt. Aber irgendwie lagen wir auf einer Wellenlänge. Kennen Sie das? Sie treffen jemanden, fangen ein Gespräch mit ihm an und meinen, Sie kennen ihn schon ewig, obwohl Sie sich gerade erst getroffen haben.«
Bisweilen kommt es auch vor, dass man solche Gespräche mit Menschen führt, die man jahrelang nicht gesehen hat …
»Sie war ein angenehmer Mensch. Und ich hatte auch den Eindruck, dass uns die Gesprächsthemen nicht so schnell ausgehen würden. Wir haben verabredet, uns wieder zu treffen. Am vergangenen Dienstag haben wir uns, wie gesagt, gesehen. Und dann nicht mehr. Ich habe mich gewundert, weil sie nicht angerufen hat. Ich dachte schon, sie hätte vielleicht doch kein Interesse an mir und sei zu höflich, das zuzugeben. Wenn Sie jetzt sagen, dass sie verschwunden ist, ist das natürlich logisch. Allerdings bleibt dann die Frage, was mit ihr passiert ist.« Dr. Schönborn klang ehrlich besorgt. »Haben Sie schon etwas herausgefunden?«
Dass sie tot ist, vielleicht?
»Noch nicht besonders viel. Und Sie werden sicher verstehen, dass ich nichts Näheres sagen kann.«
Dr. Schönborn nickte unglücklich.
»Kann ich irgendetwas tun? Kann ich irgendwie helfen sie zu finden?«
Ich schüttelte den Kopf und nippte an meiner Cola. Hauptsächlich, um Zeit zu gewinnen. Dr. Schönborn schien es ernst zu sein. Was sollte ich ihm sagen? Dass sie in der Rechtsmedizin in einem Kühlfach lag und darauf wartete, aufgeschnippelt zu werden?
»Das ist sehr nett von Ihnen. Aber ich glaube, im Moment kümmern sich genug Menschen darum.« Der Pathologe, zum Beispiel. »Die Polizei ermittelt bereits in dem Fall, ich wurde sozusagen noch ergänzend hinzugezogen und versuche nun mein Möglichstes.«
»Arme Susanne. Was wohl mit ihr passiert ist? Hoffentlich klärt sich das schnell. Wenn Sie sie finden, können Sie ihr dann bitte ausrichten, dass ich mir Sorgen mache? Und dass sie sich dringend bei mir melden soll?«
Ich nickte beklommen und war froh, dass es nicht meine Aufgabe war, ihm von Susannes Tod zu berichten. Gleichzeitig kam ich mir niederträchtig vor. Er hatte Susanne wirklich gemocht, das spürte ich. Und bei all den Enttäuschungen, die Susanne mit ihren Blind Dates erlebt hatte, musste er ein wahrer Lichtblick gewesen sein.
Mein Blick fiel auf die
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