Mein wirst du sein
Kinder, Sie wissen schon.«
Ich nickte. Ich hatte keine Ahnung.
»Mein Name ist Barbara Meier«, log ich. »Ich bin auf der Suche nach Herrn Wendt. Geschäftlich«, fügte ich vage hinzu und hoffte, einen Treffer zu landen.
Ein kleiner Yorkshireterrier kam kläffend den Flur entlang gerannt.
»Lukas, hol bitte den Hund rein.«
Ein kleiner Junge von vielleicht fünf Jahren stürmte hinter dem Hund her und sah mich neugierig an.
»Wer ist die?«, wollte er wissen.
Ich suchte nach einer plausiblen Antwort. Ein Blick in das Gesicht des fröhlichen Jungen mit den blonden Haaren und den dunklen Augen hatte mich geschockt und vorübergehend sprachlos gemacht, obwohl ich irgendwie damit gerechnet hatte.
»Die Frau möchte eine Versicherung bei Papa abschließen«, kam mir Frau Wendt zuvor. »Sei nicht immer so neugierig. Ich muss Sie bitten, ins Büro zu fahren. Mein Mann kommt heute nicht mehr nach Hause.«
Ich nickte nur.
Frau Wendt drehte sich um und ging zurück ins Haus. Der kleine Junge musterte mich noch immer mit unverhohlener Neugierde. Wenig später erhielt ich von seiner Mutter eine Visitenkarte.
»Die Adresse kennen Sie ja.«
Ich bedankte und entschuldigte mich für die Störung. Der kleine Junge winkte, als ich mich umdrehte, und der Hund kläffte laut hinter mir her.
Im Auto holte ich erst einmal tief Luft, um mich von der Überraschung zu erholen. Lukas sah Dr. Schönborn zum Verwechseln ähnlich. Und wenn er sein Sohn war, dann hieß Dr. Schönborn nicht Schönborn, sondern Wendt und war alles, aber kein Doktor. Er führte ein Doppelleben, vor der Nase seiner Frau und seiner Kinder, die von seinem Treiben nichts wussten. Frau Wendt war sicher nicht einfältig, den intelligentesten Eindruck hatte sie bei mir aber auch nicht hinterlassen.
Ich fuhr auf direktem Weg nach Söflingen zu der Adresse, die auf der Visitenkarte stand. Ich musste nicht einmal anhalten. Der Mann, den ich suchte, stand im Anzug vor der Tür und trat eine Zigarette aus, bevor er zurück in das Büro der Versicherungsgesellschaft ging.
Daniel Wendt und Dr. Daniel Schönborn waren ein und dieselbe Person. Unfassbar! Das musste ich erst einmal verdauen.
Ein Blick auf die Uhr und mein knurrender Magen erinnerten mich daran, dass es Zeit fürs Mittagessen war. Unschlüssig, was ich tun sollte, suchte ich schließlich einen Parkplatz in einer kleinen Seitenstraße und ging in ein Café, von dem aus ich das Versicherungsbüro im Auge behalten konnte. Obwohl es herrlich warm war, betrat ich die Gaststube und suchte einen Platz am Fenster im hinteren Teil.
Bei der Bedienung bestellte ich einen Schweizer Wurstsalat, eine Tasse Kaffee und die Zeitung, die prompt gebracht wurde. Hinter ihr verschanzte ich mich und sah zwischendurch immer wieder zu dem Büro auf der anderen Straßenseite. Ich konnte Daniel Wendt zwar nicht sehen, doch verlassen konnte er seinen Arbeitsplatz nur durch die vordere Tür, das hatte ich zuvor überprüft. Ich würde ihn also nicht verpassen.
Der Wurstsalat kam, und ich verzehrte ihn lustlos. Er schmeckte nicht besonders, und die Portion war für den Preis fast unverschämt klein.
Während der nächsten zwei Stunden passierte nichts, und ich überlegte bereits, ob ich am Abend wiederkommen sollte. Wenn Wendt heute nicht mehr nach Hause fuhr, war das sicher ein Vorwand, um sich mit einer Frau zu treffen. Es konnte nicht schaden, wenn ich ihm auf den Fersen blieb. Trotzdem war die Warterei nervenaufreibend und führte, zumindest im Moment, zu nichts.
Ich überlegte, ob ich zur Uni fahren und das Alibi von Herrn Dauber überprüfen sollte, als mein Handy klingelte. Da ich die Nummer nicht kannte, überlegte ich einen Moment, ob ich abnehmen sollte. Die Neugier und die aufkommende Langeweile siegten schließlich.
»Hallo?«
»Wo bist du?«, kam Marks Stimme aus dem Hörer. Keine Begrüßung, nichts.
»In einem Café.«
»Triffst du dich schon wieder mit einem Mann?«
»Kontrollierst du mich?« Ich wartete ab und gab mich gnädig. »Aber da es dich wirklich zu interessieren scheint, ich bin allein, habe einen Schweizer Wurstsalat gegessen, der nicht besonders gut und viel zu klein war, und einen Kaffee getrunken. Der ist nicht schlecht gewesen, den könnte ich empfehlen. Jetzt lese ich Zeitung und führe dämliche Telefonate.«
»Du bist dir der Gefährlichkeit nicht bewusst!«
Klang seine Stimme besorgt?
»Schön, dass du dir Gedanken um mich machst, aber ich kann gut auf mich allein aufpassen.« Ich
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