Mein wirst du sein
wer du bist?«
Mein Blick stand Marks in nichts nach. Wir starrten uns einige Sekunden böse an, dann gab er nach und richtete sich aus seiner leicht nach vorn gebeugten Haltung auf.
»Mach doch, was du willst.«
Die Tür fiel leiser ins Schloss als am gestrigen Abend, und ich stand an das Spülbecken gelehnt, das Spültuch noch immer in der Hand.
Dann wandte ich mich ab und ging ins Schlafzimmer, um mich umzuziehen.
Er und die Informationen, die er mir eben gegeben hatte, waren übermäßig präsent. Sie verdrängten alles, und ich konnte an nichts anderes mehr denken.
Mein Gehirn arbeitete fieberhaft und kam zu der Schlussfolgerung, dass Marina Waldner als Tatverdächtige ausfiel, wenn ich wirklich einen Serienmörder suchte. Es konnte auch alles nur ein Zufall sein. Doch etwas sagte mir, dass es nicht so war.
Zum ersten Mal seit langer Zeit schloss ich die Tür von innen ab, legte die Kette vor und sah nach, ob alle Fenster geschlossen waren, bevor ich ins Bett ging und mit einem unguten Gefühl einschlief.
Freitag
Ich stand in aller Herrgottsfrüh auf. Es war an der Zeit, mich ernsthaft in die Sache zu vertiefen. Was ausgesehen hatte wie ein Freundschaftsdienst für Lou, hatte sich zu einem Mordfall von ungeahnten Ausmaßen entwickelt.
Mein erstes Ziel war Erich Weber, auch wenn ich ihn noch immer nicht für verdächtig hielt. Er hatte pünktlich um Viertel vor acht das Haus verlassen und war in sein Auto gestiegen. Ich wollte wissen, wo er arbeitete und war ihm gefolgt. Zu meiner Überraschung hatte er beim nahegelegenen Supermarkt geparkt. Weil der erst um acht Uhr öffnete, war ich ihm in den Vorraum des Marktes gefolgt.
Hier herrschte zu so früher Stunde bereits hektische Betriebsamkeit. Eine kleine Bäckerei und ein Waschsalon hatten schon geöffnet, und von Erich Weber war nichts zu sehen.
Unschlüssig sah ich mich um und entschied mich für ein Frühstück. Ich reihte mich in die kleine Schlange vor der Bäckerei ein und bestellte ein mit Schinken und Ei belegtes Vollkornbrötchen und einen Kaffee zum Mitnehmen. Als ich beides in Händen hielt, sah ich Erich Weber. Hinter dem Verkaufstresen eines Schuhmachers und Schlüsseldienstes. Ein wenig originelles Schild ›Webers Expressdienste‹ hing deutlich sichtbar an der hinteren Wand über einem Brett mit Schlüsselrohlingen.
Da der Supermarkt bis 22 Uhr geöffnet hatte, stieg ich beruhigt ins Auto und fuhr zurück zu Webers Haus. Dort angekommen, verzehrte ich zunächst mein Frühstück.
Dann ging ich zur Haustür und klingelte. Wie erwartet rührte sich nichts. Unschlüssig sah ich mich um. Im Haus nebenan bewegte sich ein Vorhang im ersten Stock, das war mein nächstes Ziel. Es geht doch nichts über neugierige Nachbarn.
Als ich läutete, wurde fast sofort von einer älteren Dame geöffnet. Sie trug einen Jogginganzug, in der Hand Walkingstöcke.
»Guten Morgen«, grüßte ich.
»Guten Morgen. Möchten Sie zu Herrn Weber?«
»Dort hatte ich geklingelt, ja.«
»Herr Weber ist nicht hier, er arbeitet.«
Ach ne!
»Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?« Sie wackelte mit ihren Walkingstöcken.
»Das weiß ich nicht genau. Wann kann ich ihn denn wieder antreffen?«
Die Dame wiegte ihren toupierten Kopf. »Das ist schwierig. Er arbeitet, wie gesagt.«
»Beim Schlüsseldienst.« Selbst belanglose Informationen preisgeben schaffte Vertrauen, das wusste ich aus Erfahrung.
»Richtig. Normalerweise schließt er das Geschäft um 18 Uhr. Aber seit seine Frau vor ein paar Monaten verstorben ist, geht er abends manchmal aus. Ich weiß nicht, wohin.«
Ich schon.
»Aber er kommt meistens spät zurück.« Ihr Tonfall zeigte deutlich, wie sehr sie dieses Verhalten missbilligte. »Er ist überhaupt immer seltsamer und schweigsamer geworden, seit seine Frau tot ist. Früher konnte man wenigstens noch das eine oder andere Wort mit ihm wechseln, obwohl er da schon ein Stoffel war. Aber jetzt …« Sie schüttelte den Kopf. »Am besten, Sie versuchen es bei ihm im Geschäft.«
Sie hatte sich beflissen nach vorn gebeugt.
»Danke, dann suche ich ihn dort auf.«
Die Frau schloss die Tür.
Als ich zurück zum Auto ging und einstieg, sah ich, dass der Vorhang im Erdgeschoss bewegt wurde. Um nicht weiter aufzufallen, fuhr ich davon.
Machte ihn das verdächtig? Er hatte seine Frau verloren und ging aus. Das an sich war kein sonderbares Verhalten. Wenn es auch seltsam sein mochte, dass er das so kurz nach dem Tod seiner Frau tat. Aber wer konnte
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