Mein wirst du sein
chinesischen Restaurants. Ausgerechnet die ›Chaussee‹.
Ich parkte auf der Rückseite und schielte durch die Hecke in das Restaurant. Ein typischer Biergarten: In der Mitte stand ein großer Kastanienbaum, und rundherum saßen Gäste an Gartentischen auf Klappstühlen. Eine Asiatin huschte lautlos mit Getränken und Speisen hin und her, und der Besitzer, Herr Xu, machte seine Scherze mit den Gästen und lachte herzhaft. Ich kannte ihn. Er war ein netter Mann und hatte immer einen lustigen Spruch auf den Lippen.
Daniel Wendt saß mit dem Rücken zu mir an einem Tisch in der Nähe und erhob sich, als sich eine großgewachsene, schlanke Brünette mit Pagenkopf näherte. Sie trug einen kurzen, schwarzen Rock, eine Bluse mit raffiniertem Ausschnitt und Pumps, bei deren bloßem Anblick ich mich fragte, wie man darin laufen konnte.
Sie konnte, näherte sich sogar schnellen Schrittes Daniel Wendt und reckte ihm das Gesicht entgegen, damit er links und rechts ein Küsschen auf die dargebotene Wange hauchen konnte.
»Wie schön, dass es geklappt hat«, hörte ich sie sagen. »Konntest du doch rechtzeitig Schluss machen?«
Wendt rückte ihren Stuhl zurecht, bevor er ihr gegenüber Platz nahm.
»Die Operation war nicht besonders schwierig«, antwortete er und lehnte sich zurück. »Ich habe meinem Kollegen übergeben und gesagt, dass ich noch einen wichtigen Termin habe und unter keinen Umständen gestört werden möchte. Außer, es geht um Leben und Tod meiner Patienten.«
Er lachte, und ich schüttelte mich.
Die beiden hatten bestellt und taten sich gerade an einer Suppe als Vorspeise gütlich. Ich knirschte mit den Zähnen und überlegte kurz, dann glaubte ich, das Wagnis eingehen zu können, meinen Beobachtungsposten für kurze Zeit zu verlassen, und sprintete los.
Vor der Eisdiele herrschte wie einige Abende zuvor reges Treiben. Doch mein Ziel befand sich auf der anderen Straßenseite. Ein kleines, türkisches Straßenrestaurant, ›Söflinger Kebab & Pizza‹ genannt, in dem es phantastische Türkische Pizza und hervorragenden Kebab gab. Der Clou war der ›Söflinger Spezial‹, eine Pizza, die mit Kebab-Zutaten belegt war und hervorragend schmeckte. Ein halbwegs angemessener Ersatz für das Essen bei meinem Lieblingschinesen.
Ich bestellte meinen Kebab mit extra Knoblauchsoße und besonders scharf. Als ich hineinbiss, lief mir die Soße am Mundwinkel hinunter, und ich fing sie mit der Zungenspitze auf. Als kleine Entschädigung dafür, dass sich Wendt und seine Freundin den Bauch mit einem mehrgängigen Menü im ›Chaussee‹ vollschlugen.
Als ich zurückkam und meinen Wachposten hinter der Hecke wieder einnahm, saßen die beiden noch beim Hauptgang. Ich vermutete Nr. 47: Ente mit Knoblauch und verschiedenem Gemüse, leicht scharf, und biss die Zähne zusammen. Verdammt, das hatte ich auch schon lang nicht mehr gehabt.
Mein Zorn wuchs. Ob auf Daniel Wendt, auf Mark Heilig oder mich selbst, wusste ich nicht zu sagen. Ich hatte einfach schlechte Laune, und die vergrößerte sich von Minute zu Minute.
Das Essen zog sich hin, anschließend wurde Wein bestellt, und Daniel Wendt hielt nicht nur Händchen, er legte seiner Angebeteten sogar ritterlich seine Jacke um, während ich hinter dem Gestrüpp zu frieren begann, denn nachts war es noch immer empfindlich kühl.
Doch ich hielt eisern durch, bis die beiden nach dem Genuss von Nachtisch und Kaffee um halb zehn das Restaurant verließen. Die Brünette trug noch immer Wendts Jacke um die Schultern, und er legte den Arm um sie, während sie ihren Kopf an ihn drückte.
»Ich friere«, hörte ich sie sagen.
Na rate mal, wer noch. Ich biss die Zähne fest aufeinander, damit niemand hörte, wie sie klapperten, und schwor mir feierlich, in Kürze ein mehrgängiges Menü bei Herrn Xu zu genießen. Vielleicht zusammen mit Conny, meiner Freundin. Zeit für sie, mal wieder rauszukommen.
Ich stieg in mein Auto und verfolgte die beiden mit den Augen, bis sie fast nicht mehr zu sehen waren. Erst dann startete ich den Motor und fuhr hinterher. Vor dem Versicherungsbüro stand Wendts Mercedes. Die beiden stiegen ein und fuhren davon. Ich in angemessenem Abstand hinterher.
Noch immer war in Söflingen viel los, die Spaziergänger genossen das gute Wetter und waren alle in Jacken gehüllt, wie ich bibbernd feststellte. Ich verfluchte meine Dummheit, nicht wenigstens einen Pulli mitgenommen zu haben. Doch wer hatte geahnt, dass ich mir die halbe Nacht um die Ohren schlagen
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