Mein wirst du sein
legte die Zeitung auf den Tisch. Auf der anderen Straßenseite tat sich noch immer nichts.
»Wie du willst. Was machen die Ermittlungen?«
»Das geht dich auch nichts an.«
Mark seufzte. »Ich habe nichts anderes erwartet. Du bist ein ganz schöner Sturkopf. Was ist nur aus dem schüchternen kleinen Mädchen von damals geworden?«
»Rate mal.«
»Geht mich wahrscheinlich auch nichts an.«
»Exakt.« Irgendwie genoss ich das Frage- und Antwortspiel. Es bot Abwechslung zu der langweiligen Beschattung, die noch etliche Zeit in Anspruch nehmen würde. Und Mark die Stirn zu bieten, war lustig. Boshaft fragte ich mich, wie lang es dauern würde, ihn richtig auf die Palme zu bringen. Keine Frage, ich war auf einem guten Weg.
»Okay, Spaß beiseite. Ich habe keine Ahnung, warum ich dir das sage, aber Susannes Ehemann hat ein Alibi für den Tatzeitpunkt, das konnten wir zwischenzeitlich ermitteln. Aber er wusste von den Kontaktanzeigen.«
»Ach ne!«
»Doch, stell dir vor.« Marks Ton stand meinem in nichts nach. »Er war auch nicht unbedingt gut auf seine Frau zu sprechen. Ich glaube, eine glückliche Ehe ist etwas anderes. Wie auch immer, er hatte am fraglichen Tag eine schwere Operation, und eine ganze Kompanie von Ärzten und Schwestern schwört Stein und Bein, dass er im OP war. Da kann man auch nicht eben weg, um seine Frau umzubringen und den Patienten dann zunähen. Er scheidet also aus.«
»Wenn ihr von einem Serienmörder ausgeht, war das doch ohnehin reine Routine. Ich hatte ihn als Verdächtigen schon ausgeschlossen.« Ich lehnte mich zurück. »Zugegeben, gerade habe ich mir überlegt, ob ich sein Alibi überprüfen soll. Aber das hat sich ja jetzt erledigt. Warum erzählst du mir das eigentlich?«
Mark seufzte wieder.
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich will ich, dass du mit dem Quatsch aufhörst und die Ermittlungen an den Nagel hängst. Du wirst den Mörder sowieso nicht finden.«
Ich zog eine Augenbraue nach oben und strich mir eine widerspenstige Locke hinters Ohr.
»Und warum nicht?«
»Hör mal, das ist eine Nummer zu groß für dich. Die halbe Kripo ermittelt in dem Fall. Und ausgerechnet du willst den Mörder finden? Das ist doch lächerlich!«
»Ich war auch mal bei der Polizei, oder hast du das vergessen?«
»Nein, habe ich nicht. Aber damals warst du jemand anderer. Trotz allem bist du immer noch du. Lass die Finger davon, das ist gefährlich!« Die Warnung klang eindringlich.
»Hast du Angst um mich?« Trotz meines Ärgers konnte ich es mir nicht verkneifen, zu kokettieren.
»Wenn es dich beruhigt, ja. Ich möchte nicht, dass du auch mit einer Kette um den Hals in der Donau endest. Dafür kennen wir uns schon zu lang. Zufrieden?«
Das war es? Weil wir uns kannten? Weil wir uns kannten???
»Du kannst mich mal«, sagte ich und unterbrach die Verbindung.
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor Ärger mit der Hand auf den Tisch zu schlagen. Was bildete sich dieser aufgeblasene Affe eigentlich ein? Jahrelang hatten wir uns nicht gesehen, hatten noch nicht einmal ein besonderes Verhältnis gehabt, von der Knutscherei auf der Party einmal abgesehen, bei deren Erinnerung mein Herz noch immer kleine Purzelbäume schlug, zugegeben. Doch jetzt spielte er sich auf wie ein Ersatzpapa.
Ich kochte vor Zorn, und die Tatsache, dass ich in einem Café saß und seit zweieinhalb Stunden das Büro auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtete, trug nicht zur Verbesserung meiner Laune bei. Plötzlich wurde es mir zu eng und drückend in dem stickigen Gastraum. Ich bezahlte meine Rechnung und verließ fluchtartig das Lokal, um spazieren zu gehen. Immer rund um das Versicherungsbüro, um Wendt nicht zu verpassen. Doch er ging nur zweimal zum Rauchen auf die Straße.
Nach eineinhalb weiteren quälenden Stunden und gefühlten qualmenden Schuhsohlen war es soweit. Zusammen mit einem Kollegen trat Daniel Wendt auf die Straße und zündete sich eine weitere Zigarette an. Er hatte sich umgezogen und trug nun Jeans und ein teuer aussehendes Polohemd. Er sah smart aus.
Ich sprintete zu meinem Auto und startete den Motor, um nicht zu verpassen, wenn er losfuhr. Nur um gleich darauf festzustellen, dass er nicht vorhatte wegzufahren. Gemächlich ging er die Straße entlang, vorbei an der rückwärtigen Seite des Klosterhofs, stadtauswärts.
Gerade als ich überlegte, ob ich den Wagen stehen lassen und die Verfolgung zu Fuß aufnehmen sollte, bog er rechts ab und verschwand im Biergarten eines
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