Mein wirst du sein
wir beide, irgendwie verlegen.
Die Situation war seltsam neu und doch irgendwie vertraut, als hätte es die letzten Jahre, in denen wir keinen Kontakt gehabt hatten, nicht gegeben. Ich schämte mich nicht. Nicht für das, was gewesen war und nicht für das, was ich heute war. Es tat gut, darüber zu reden, ich hätte es früher tun sollen.
Mark wusste längst nicht alles über mich. Er wusste nicht, wie sehr ich mich nach der großen Liebe gesehnt hatte, die ich in meinem Leben nie erfahren hatte. Er wusste nichts von meinem Bruder, der vielleicht nicht mein Bruder war, nichts von meiner Mutter, die ständig wechselnde esoterische Spinnereien im Kopf hatte, und nichts von meinem Vater, der vor 14 Jahren umgebracht worden war, und dessen Mörder noch heute frei herumlief. Er ahnte nicht, dass ich bei meinen Großeltern aufgewachsen war und mich immer nur nach Liebe und einem sicheren Platz im Leben gesehnt hatte.
In Dirk Heit hatte ich geglaubt, diese Liebe gefunden zu haben. Umso größer war die Enttäuschung gewesen, als ich ihn im Bett mit einer anderen erwischt hatte. Und umso schlagartiger die Erkenntnis, dass ich mein Leben selbst in die Hand nehmen und für mich kämpfen musste, wenn es sonst niemand tat. Meine Wohnung war nun mein Heiligtum. Mein Rückzugsort, meine Burg. Ich schottete mich hier ab und ließ alles draußen, inklusive meiner Gefühle. Nie war jemand über Nacht dageblieben.
Und ausgerechnet hier war eingebrochen und in meinen persönlichsten Dingen gewühlt worden. Es kam der Entweihung eines heiligen Ortes gleich und hatte mich nachhaltig schockiert und verunsichert.
Nein, das alles wusste Mark Heilig nicht. Und das sollte auch so bleiben.
»Ist lang her«, sagte ich schließlich und sah auf. »Schon vergessen. Wie gesagt, jeder macht einmal Fehler.«
»Du überraschst mich immer wieder, stelle ich fest.«
»Belassen wir es einfach dabei.«
»Okay. Jetzt musst du mir aber verraten, bei welcher Pizzeria du das Essen gekauft hast. Ich habe noch nie so köstliche Nudeln gegessen, und das Tiramisu war einfach gigantisch. Das muss ich mir merken.«
»Wie, wo habe ich das her?«
Das war jetzt nicht sein Ernst, oder? Er foppte mich nur. Gerade hatte ich mein halbes Leben vor ihm ausgebreitet. Das hatte ich noch nie getan. Und jetzt fragte er mich, wo ich das Essen gekauft hatte ?
»Komm schon, du willst doch nicht sagen, dass du das Tiramisu selbst gemacht hast.«
War das zu fassen? Er glaubte mir nicht.
»Und wenn es so wäre?« Das war fast noch schlimmer als die Frage nach meinem Aussehen.
»Das glaube ich nicht. Das hast du doch bestimmt von einem Italiener.«
Ich holte tief Luft und versuchte, den Ärger hinunterzuschlucken.
»Hör mal zu, nur weil du selber nicht kochen kannst und mich schon lang nicht mehr gesehen hast, ist das kein Grund, mich zu beleidigen.«
Wenn Blick töten könnten, wäre er jetzt auf der Stelle über meinem Küchentisch zusammengebrochen. Die Nase mitten in der leeren Tiramisuschüssel.
»Ist doch nichts dabei«, sagte er und lachte. Er lachte ! »Komm, sag schon. Oder ist das ein Geheimnis?«
»Du blöder Kerl! Ich habe auch die Pasta selbst gemacht.«
»Ja klar. Und meine Oma wohnt auf dem Mond.«
Er hatte sich gemütlich zurückgelehnt, nippte an seinem Bier, an meinem!, und grinste mich an.
»Raus mit dir!« Ich deutete mit einer eindeutigen Geste zur Tür.
Mark lachte noch immer.
»Jetzt komm schon, ist doch nicht schlimm!«
»Verschwinde!«
Er sah mich fassungslos an. Dann erhob er sich unsicher.
»Ist das dein Ernst?«
»Mach, dass du raus kommst!«
Wortlos stellte er sein Bier ab, das noch nicht einmal zur Hälfte getrunken war, und drehte sich um.
»Du hast sie ja nicht mehr alle.«
Er stand auf und ging.
Zornig kippte ich den Rest des Tiramisus in den Abfalleimer und das Bier in den Abfluss. Selten hatte ich mich verletzter gefühlt als im Moment.
Weil ich mit mir und meinem Zorn nichts anzufangen wusste, fuhr ich in den ›Jazz-Keller‹ und setzte mich mit dickem Hals an die Bar. Ich wusste, dass ich mit dem Taxi nach Hause fahren würde.
Als ich den ersten ›Canchanchara‹ getrunken hatte, fühlte ich mich besser. Ich begann, mit Fanny herumzualbern und versuchte, Lou erneut auf den Zahn zu fühlen, was die Pakete in seinem Keller anbelangte. Doch er mauerte noch immer und tat wie die Unschuld vom Lande. Für heute gab ich auf.
»Ich habe versucht, mit dem Kriminalkommissar zu reden, der hier gewesen ist.«
»Der
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