Mein wirst du sein
Heilige?« Lous Augen bekamen einen seltsamen Glanz.
»Jep. Genau der.«
»Und?«
»Da ist nichts zu machen. Er hat sich in die Geschichte verbissen wie ein Terrier. Ich rate dir wirklich, ihm nicht noch mehr Angriffsfläche zu bieten. Schaff das Zeug aus dem Keller raus.«
Vielleicht hatte unser Zoff dazu geführt, dass er Lou nun ernsthaft auf dem Kieker hatte? Doch auch dieses Argument zog nicht. Er schwieg eisern, was den Keller und dessen Inhalt anging, und tat, als wäre alles nur meiner Einbildung entsprungen. Wie konnte man nur so verbohrt sein?
Fanny stand hinter dem Tresen und schenkte Getränke aus. Sie rollte die Augen, sagte aber nichts.
Plötzlich stand Andreas vor mir. Ich hatte ihn bisher nicht entdeckt und sah mich im Gastraum um. Doch, da hinten unter dem Tisch lag Flocki und blickte gemütlich zu uns herüber.
»Du hier?«, fragte ich albern. Ich hatte definitiv schon einen zu viel.
Doch er sah mich einfach nur an. In seinen Augen stand eine Mischung aus Zorn und etwas anderem, das ich nicht deuten konnte. Er sagte kein Wort, packte mich stattdessen am Handgelenk und zog mich vom Barhocker herunter.
Ehe ich mich versah, stand ich auf der Bühne, in der Hand ein Mikrofon. Vertraute Klänge drangen an mein Ohr, und ich begann unsicher zu singen. Was sollte das?
Andreas stand die Mordlust des Nick Cave ins Gesicht geschrieben. Hatte ich neulich die kraftvolle Stimme und die Intensität wahrgenommen, so fragte ich mich jetzt, ob er verdammt gut schauspielerte, oder ob ich es mit einem Irren zu tun hatte.
Ich konnte nicht anders, ich spielte meine Rolle. Die des unschuldigen jungen Mädchens, das sich in den eigenen Mörder verliebt und willig mitgeht, als er es zu Ende bringt.
»On the third day he took me to the river, he showed me the roses and we kissed. And the last thing I heard was a muttered word as he stood smiling above me with a rock in his fist.«
Ich beobachtete Andreas genau. Seine Augen waren fast schwarz, er hielt meine Hand mit seiner umklammert, und es tat mir weh, während sein Blick sich in mich hineinbohrte.
»On the last day I took her where the wild roses grow. And she lay on the bank, the wind light as a thief. As I kissed her goodbye, I said, ›All beauty must die‹. And lent down and planted a rose between her teeth.«
Ich schlug die Augen nieder, als er meine Hand losließ. Keine Sekunde konnte ich ihn mehr ansehen. Ich wusste, dass meine Stimme leiser wurde, und brachte kaum noch etwas heraus.
»They call me The Wild Rose, but my name was Elisa Day. Why they call me it I do not know. For my name was Elisa Day. My name was Elisa Day. For my name was Elisa Day.«
Die Musik hörte auf zu spielen, ich stand auf der Bühne mit gesenktem Kopf und lauschte der Stille, die im Saal herrschte. Ich musste an die tote Frau im Fluss denken, die eine rote Rose zwischen den Lippen hatte, und schauderte, als mir die Parallelen zu den Ereignissen der letzten Tage und Wochen überdeutlich bewusst wurden.
Endlich hob ich den Kopf und sah mich unsicher um. Applaus brandete auf. Und Andreas war verschwunden.
Ich versuchte, mich mit Anstand von der Bühne zu verabschieden und suchte den Gastraum mit den Augen nach ihm ab. Doch er war nirgends zu sehen. Auch Flocki war verschwunden.
Ich stürmte von der Bühne und floh nach draußen auf den Parkplatz. Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Gestalt wahr, die mir verwundert nachblickte und anhob, mich anzusprechen.
Ich kannte den Typen, hatte ihn irgendwo schon einmal gesehen. Dann fiel der Groschen. Es war Rafael Winter. Und das führte nur dazu, dass ich noch schneller im Auto verschwand. Mit ihm wollte ich nun wirklich nicht mehr reden heute Abend. Eigentlich hätte ich nicht mehr fahren dürfen. Ich tat es trotzdem. Nach diesem Abend war ich restlos bedient und wollte nur noch nach Hause.
Ich schaffte es ohne größere Zwischenfälle in meine Wohnung und verriegelte sämtliche Türen und Fenster. Das Licht ließ ich brennen. Dann schlief ich ein und träumte von roten Rosen und toten Frauen im Wasser. Und immer wieder tauchte Andreas auf.
Mitten in der Nacht schreckte ich hoch, weil das Telefon klingelte. Eine Rufnummer wurde nicht angezeigt. Ich nahm den Akku aus dem Gerät und legte es neben das Bett. Es dauerte lang, ehe ich wieder eingeschlafen war.
Sonntag
Es war Sonntagmorgen, zehn Uhr, und ich saß missmutig über der Zeitung und einer Tasse Kaffee und dachte über den gestrigen Abend nach.
Überlegungen, die zu
Weitere Kostenlose Bücher