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Mein wunderbarer Brautsalon

Mein wunderbarer Brautsalon

Titel: Mein wunderbarer Brautsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Sonntag
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Bild passen, dass ich mir im Verlauf der Jahre über das andere Geschlecht zusammengebastelt habe: Kaum denken sie, dass eine Frau nicht zu haben ist, zeigen sie plötzlich größtes Interesse. Unverbindlicher kann ein Flirt schließlich nicht sein. »Was amüsiert Sie denn so?«, will Herr Hübner wissen.
    »Ach, nichts«, erwidere ich schnell. »Ich kann nur noch immer nicht glauben, dass ich gerade ein Brautkleid trage.« Die ältere Frau lächelt mich aufmunternd an. »Das geht den meisten so«, erklärt sie dann. »Es ist ja ein ganz besonderer Moment im Leben.« Mit diesen Worten schiebt sie mich direkt vor den großen Spiegel. »Aber sehen Sie selbst, wie wunderbar Ihnen das Kleid steht!«
    Jetzt bleibt mir tatsächlich fast die Luft weg. Überrascht schlage ich beide Hände vor den Mund, als ich mein Spiegelbild zum ersten Mal sehe. Das bin nicht ich! Das ist eine fremde Frau, die vollkommen anders aussieht als ich. Eine Mischung aus Sissi und Grace Kelly, wenn ich mal so größenwahnsinnig sein darf, das champagnerfarbene Kleid betont meine Taille und durch die enganliegende Korsage könnte man fast den Eindruck haben, ich hätte eine stattliche Oberweite vorzuweisen (was bei Körbchengröße A de facto nicht der Fall ist). In einem Wort: Ich bin hingerissen. Und das auch noch von mir selbst, wirklich unglaublich!
    »Sehen Sie doch nur, wie perfekt sich der Stoff an Ihren Oberkörper schmiegt«, sagt Herr Hübner und lässt dabei seine rechte Hand ganz sanft an meiner Taille hinabgleiten. Mich durchzuckt ein Schauer bei dieser plötzlichen Berührung, schnell zieht er seine Hand wieder zurück, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Er räuspert sich. »Da müssen wir gar nichts mehr ändern, das Kleid ist wie für Sie gemacht!«
    »Tatsächlich«, gibt die Frau ihm Recht, »als hätten Sie dafür Modell gestanden.« Ich fange an, mich kichernd vor dem Spiegel hin und her zu drehen, um mich auch von der Seite betrachten zu können. Keine Ahnung, was dieses Kleid mit mir macht, es muss irgendeinen magischen Schnitt oder so haben – aber allein, um irgendwann einmal so auszusehen, würde sich das Heiraten beinahe schon lohnen. Ich denke, ich sollte es kaufen. Einfach so. Muss ja niemand wissen, Kiki erst recht nicht. Außerdem würde ihr das hier gar nicht passen, das wäre viel zu groß für sie.
    »Äh, haben Sie das gleiche Kleid auch noch eine Nummer kleiner da?«, will ich wissen, als ich an Kiki denke. »Planen Sie eine Doppelhochzeit?« Herr Hübner steht hinter mir und zwinkert mir im Spiegel zu. Er flirtet tatsächlich mit mir, ich bilde mir das nicht ein! Eigentlich eine Frechheit, schließlich bin ich eine fast verheiratete Frau. So in der Art jedenfalls.
    »Nein«, beeile ich mich, zu versichern, weiß dann aber nicht weiter. »Eine Freundin von mir …«, setze ich etwas konfus an. Was rede ich hier nur für einen Schwachsinn zusammen? Glücklicherweise werde ich von seiner Mitarbeiterin gerettet.
    »Aber Sie müssen es ja noch vollendet sehen.« Mit diesen Worten tritt sie hinter mich und stellt sich auf die Zehenspitzen. Bevor ich mich noch fragen kann, was denn nun noch kommen soll, hat sie mir schon einen meterlangen Schleier in der Farbe des Kleides oben auf dem Kopf gesteckt und legt ihn mir so um die Schultern, dass ich wie eine Madonna vorm Spiegel stehe.
    Das ist zu viel. Bisher habe ich die ganze Angelegenheit ja eher als Spaß betrachtet, aber so hartgesotten, dass mich dieser Anblick nicht aus der Fassung bringen könnte, bin ich offenbar doch nicht. Ich weiß zwar nicht, woher sie kommen, aber plötzlich kullern mir dicke Tränen über die Wangen.
    Ich als Braut, in einem Kleid, das mehr als traumhaft ist – und niemand da, der sich auch nur einen Dreck für mich interessiert. Niemand, der sich danach sehen würde, mich in diesem Kleid durch den Mittelgang einer Kirche oder auch nur durchs Standesamt Hamburg Nord zu führen. Niemand, der mich liebt, niemand, der zu mir gehört und für mich da sein will, bis dass der Tod uns scheidet. Oder wenigstens die nächsten zwei Jahre lang.
    Pleiten, Pech und Pannen, so lange ich zurückdenken kann. Vor meinem inneren Auge ziehen die Bilder sämtlicher Idioten vorüber, die meinen bisherigen Lebensweg gepflastert haben. Warum ich? Warum finde ich nicht den Richtigen, warum bin ich anders als Maren oder Kiki? Mittlerweile ist aus den paar Tränchen ein hemmungsloses Schluchzen geworden, die ältere Frau reicht mir, immer noch lächelnd, ein

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