Mein wunderbarer Brautsalon
glaubt, aber das ist mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich weiß natürlich, dass es sinnlos ist und keine Rolle spielt, ob ich sie jemals wiedersehe oder nicht – aber allein zu wissen, wo sie wohnt, fühlt sich irgendwie … gut an.
Ich reiche ihr den Kleidersack mit ihren Sachen und bringe sie zur Tür.
»Vielen Dank noch einmal«, bedankt sie sich.
»Keine Ursache.« Ich sehe sie einen Moment lang unschlüssig an. Dann strecke ich ihr meine Hand hin. »Ich heiße übrigens Christoph Hübner.« Sie nimmt meine Hand und schüttelt sie lächelnd. »Und wenn Sie irgendwann mal wieder irgendetwas brauchen, schauen Sie einfach vorbei.«
»Irgendetwas?«
»Na ja, irgendetwas, das mit Brautmoden zu tun hat, meine ich.«
»Klar.« Sie lacht, wobei sich ein paar hauchfeine Fältchen um ihre Augen bilden. »Dann schaue ich vorbei.«
»Oder auch«, füge ich hinzu, »falls Sie das Kleid zurückgeben wollen.«
»Zurückgeben? Aber«, sie deutet auf ein Schild direkt neben der Kasse, »da steht doch, dass die Ware vom Umtausch ausgeschlossen ist.«
»Äh, ja, richtig. Aber wir nehmen trotzdem Kleider in Kommission. Sowohl gebrauchte als auch, äh, neue.« Sie guckt mich nur wortlos an und schüttelt dabei unmerklich ihren Kopf, so, als würde sie sich gerade fragen, was ich eigentlich für ein seltsamer Vogel bin.
»Gut, dann weiß ich Bescheid.« Sie geht aus der Tür, ich drücke sie hinter ihr ins Schloss und drehe mich so schnell wie möglich wieder um, damit ich nicht der Versuchung erliege, ihr nachzustarren.
Scheiße! Da habe ich mich gerade echt zum Volldeppen gemacht. Aber ich konnte nicht anders.
»Na, mein Junge?« Meine Oma steht oben auf der Galerie und guckt zu mir herunter. »Dich hat’s ja gerade ganz schön erwischt.« Dann seufzt sie. »Aber ich glaube nicht, dass du bei dieser jungen Frau sonderlich große Chancen hättest. Irgendwann musst du einfach mal wieder anfangen, dich für Frauen zu interessieren, die nicht gerade heiraten wollen.« Ja, irgendwann, denke ich. Aber nicht heute.
3. Kapitel
Annika
Ich muss geistesgestört sein. Mit einem Kleid, das der Hälfte meines monatlichen Nettoeinkommens entspricht, verlasse ich den Laden. Warum habe ich das getan? So viel Geld für etwas, das ich überhaupt nicht gebrauchen kann. Und dabei bin ich sowieso immer knapp bei Kasse, mit der Kohle hätte ich einen richtigen Urlaub machen können! Aber ich wollte es haben, ich kann auch nicht erklären, warum. Ob es die blauen Augen von Christoph Hübner waren? Wahrscheinlich hat er mich hypnotisiert oder so. Gedankenverloren streiche ich über die Hülle des Kleidersacks. Aber es ist wirklich wunderschön, vielleicht kann ich es einfärben. Oder nächste Woche einfach wieder zurückbringen, schließlich hat Christoph Hübner das angeboten.
Ja, ich könnte es zurückbringen. Wieder denke ich an die blauen Augen. Dann würde ich ihn auch noch einmal wiedersehen. Ich bin mir ganz sicher, dass er mit mir geflirtet hat, obwohl es in so einer Situation natürlich total schwachsinnig ist. Er hält mich für eine Braut, das ist doch reine Zeitverschwendung. Ich könnte noch einmal in den Laden gehen und ihm erklären, dass das alles nur ein Missverständnis war und ich gar nicht heiraten will. Oder dass mein Verlobter mich verlassen hat. Aber wie ich die Männer kenne, wird er dann kein Interesse mehr zeigen. Hör auf, Annika, du hast es doch oft genug erlebt! Bleib deinem Vorsatz treu und mach dir keine Gedanken um einen weiteren Idioten, der sowieso kein wirkliches Interesse an dir hat. Aber dieser Blick …
»Das ist ja lustig.« Erschrocken fahre ich herum, als mich eine Stimme aus meinen Gedanken reißt. Direkt hinter mir steht mein Kollege Paul und mustert mich fragend. »Hast du mir da irgendetwas Wichtiges verheimlicht?« Er deutet auf den Kleidersack über meinem Arm, der den deutlich sichtbaren Schriftzug »Brautsalon Hübner« trägt.
»Paul«, bringe ich hervor, »du hast mich vielleicht erschreckt! Was machst du denn hier?«
»Ich bin auf dem Heimweg aus der Redaktion.« Er legt seine Stirn in Falten. »Aber die eigentliche Frage ist doch: Was machst du hier? In einem Brautgeschäft?«
»Ich, äh, ich …« Verdammt! Warum muss mich ausgerechnet ein Kollege dabei erwischen, wenn ich die kindischste Sache meines Lebens anzettele? »Ich hab nur für meine Schwester Kiki ein Kleid abgeholt«, erkläre ich und setze mich wieder in Bewegung, umso schnell wie möglich von dem Brautsalon
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