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Mein wunderbarer Brautsalon

Mein wunderbarer Brautsalon

Titel: Mein wunderbarer Brautsalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Sonntag
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Taschentuch.
    »Aber Kindchen«, meint sie tröstend, »das ist doch kein Grund zum Weinen. Es ist ein Grund zum Strahlen!« Sie stupst mich aufmunternd in die Seite, und ich gebe mir Mühe, mich wieder zusammenzureißen. Ist ja eine mehr als peinliche Vorstellung, die ich hier liefere. Die beiden müssen denken, ich sei komplett verrückt.
    »Glauben Sie mir«, fügt nun auch Herr Hübner hinzu, »wenn Ihr zukünftiger Bräutigam Sie so sieht, wird er mit Sicherheit der glücklichste Mann der Welt sein!« Bei dieser Feststellung höre ich tatsächlich auf zu weinen und muss lauthals losprusten, was mir von beiden irritierte Blicke beschert. Der glücklichste Mann der Welt, aber sicher doch! War ja bisher immer so: »Annika, zusammen mit dir bin ich der glücklichste Mann der Welt, aber noch glücklicher bin ich ohne dich. Ha!«
    »Ach, wissen Sie«, erwidere ich und gebe mir Mühe, nicht allzu sarkastisch zu klingen, schließlich bin ich ja eine selige Braut, »bisher habe ich eins im Leben gelernt.« Mit einer einzigen Bewegung mache ich den Schleier wieder ab und reiche ihn der älteren Dame. »Das einzig Sichere im Leben ist der Tod.«

    Christoph
    Das einzig Sichere im Leben ist der Tod. Der Satz hallt in meinen Ohren nach, und ich bin im ersten Moment felsenfest davon überzeugt, mich verhört zu haben. Aber ein Blick auf meine Großmutter sagt mir, dass ich ganz richtig gehört habe, denn sie wirkt ebenfalls regelrecht schockiert. Natürlich kann sie sich an Claras Lieblingsmotto erinnern, oft genug hat sie früher darauf erwidert: »Ach, Kindchen, in ein paar Jahren wirst du das vollkommen anders sehen.« Nur, dass es dazu leider nie kam. Clara hatte keine paar Jahre mehr.
    Und nun steht diese Frau vor mir und sagt genau diesen Satz. Einfach so, als wäre es ganz normal. Ich bin viel zu rational veranlagt, um darin eine tiefere Bedeutung, eine Botschaft oder sonst einen Unsinn zu sehen. Aber trotzdem drohen mir die Knie wegzusacken, so unvermittelt trifft mich diese Situation. Diese Frau hat mich ja schon beinahe umgehauen, als sie nur zur Tür hereinkam – aber jetzt bin ich vollkommen durcheinander.
    »Der Tod?«, bringe ich schließlich etwas atemlos hervor. Sie zuckt mit den Schultern.
    »Ist nur so ein Spruch«, stellt sie dann fest und zupft dabei nachdenklich an ihrem Schleier. »Hab ich irgendwo mal aufgeschnappt. Hat mir gefallen.« Beinahe würde ich sagen, dass ich jemanden kenne, der genau den gleichen Humor hat. Hatte. Aber ich lasse es. Einen Moment lang sehen wir uns nur schweigend an, und ich suche krampfhaft nach etwas Geistreichem, was ich noch sagen könnte. Wie gern würde ich mich noch länger mit ihr unterhalten, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie eigentlich nur als Kundin vor mir steht, fällt mir beim besten Willen nichts ein, um sie in ein längeres Gespräch zu verwickeln.
    »Wir haben auch noch die passenden Accessoires wie Schuhe und Handtasche«, bricht meine Großmutter das Schweigen. Die Frau lächelt sie an.
    »Nicht nötig«, erklärt sie dann. »Ich brauche nur das Kleid.« Dann überlegt sie einen Augenblick. »Und den Schleier. Den Schleier nehme ich auch mit.«
    »Gut, dann helfe ich Ihnen mal heraus«, sagt meine Großmutter.
    »Moment. Darf ich von Ihnen ein Polaroid machen?«, frage ich die Kundin. Oma wirft mir einen überraschten Blick zu. »Wozu das?«, will die junge Frau wissen.
    Weil ich gern ein Souvenir hätte, denke ich, sage aber: »Wenn einer Kundin ein Kleid so hervorragend steht wie Ihnen, machen wir davon gern ein Foto. Aber keine Sorge, nur für uns, quasi für unser Geschäftsalbum.«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Klar, warum nicht? Aber dann hätte ich auch gern eins.«
    »Kein Problem.« Ich eile hoch ins Büro, hole die Kamera und mache zwei Bilder. »Vielen Dank«, sage ich und reiche der Kundin eins von beiden.
    »Ich danke. Dann ziehe ich es jetzt mal aus.« Oma führt die junge Frau zurück in die Umkleidekabine, ich bleibe – immer noch einigermaßen verwirrt – zurück. Gleich wird sie bezahlen, und ich werde sie, außer auf meinem Foto, nie wieder sehen. Oder erfahren, wer sie ist. Die Gedanken wirbeln nur so durch meinen Kopf. Hör auf, Christoph, es spielt doch sowieso keine Rolle! Diese Frau wird bald heiraten, wozu sich den Kopf über sie zerbrechen? Das ist nur eine weitere deiner kleinen Verliebtheiten, die keine Chance hat, so wie all die anderen Frauen, für die du dich hier im Geschäft schon begeistert hast. Sinnlos,

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