Mein wunderbarer Brautsalon
Houston, wir haben ein Problem. Genauer gesagt: Ich habe eins.
»Keine«, murmele ich und studiere dabei meine Fingernägel. »Die Zeit war einfach zu knapp, mehr habe ich mir noch nicht überlegen können«, schiebe ich als Entschuldigung nach.
»Hast du nicht?« Beatrice sieht mit einem Mal überhaupt nicht mehr mitfühlend aus.
»Nein«, sage ich, »ich müsste einfach noch …«
»Aber um während deiner Arbeitszeit für die Hochzeit deiner Schwester durchs Internet zu geistern, dafür reicht die Zeit dann doch?« Verdammt! Warum habe ich das bloß gesagt? Aus den Augenwinkeln sehe ich deutlich, wie Susanne sich schwer das Grinsen verkneifen muss. Jetzt stecke ich in der Zwickmühle – und habe keine Ahnung, wie ich da wieder herauskomme. »Also, Annika?« Habe ich jemals behauptet, dass meine Chefredakteurin unter ihrer harten Schale eigentlich ganz in Ordnung ist? Das nehme ich hiermit sofort zurück.
»Ich kann eben nicht …«, setze ich an, werde aber von Paul, der bisher noch gar nichts gesagt hat, unterbrochen.
»Komm schon, Annika, lass es uns doch erzählen!« Häh? Was sollen wir erzählen? Ich sehe Paul fragend an. Auch Beatrice wendet sich ihm zu. »Die Sache ist die«, spricht Paul weiter und knetet nervös seine Hände, »Annika und ich wollten es euch noch nicht vorschlagen, bevor es nicht in trockenen Tüchern ist … aber Annika und ich …«
Innerlich schreie ich auf, aber meine Stimme versagt mir. Bitte, Paul, tu das nicht! Behaupte jetzt bloß nicht, du und ich würden demnächst heiraten! So schlimm ist das Ganze nun wieder auch nicht, als dass wir uns zu solchen Behauptungen versteigen müssten!
»Wir haben«, fährt er unbeirrt fort und leckt sich über die Lippen, »wir haben da nämlich gestern Abend so eine Theorie ausgearbeitet.« Oh, nun nimmt es unverhofft eine andere Wendung, als ich gedacht habe. Theorie ausgearbeitet? Bin ganz Ohr, was als Nächstes kommt.
»Die da wäre?«, will auch Beatrice wissen.
»Genau genommen ist es ein altes Sprichwort«, erklärt Paul. »Nämlich: Was man will, das kriegt man nicht – und was man kriegt, das will man nicht.«
»Tolle Theorie«, kommentiert Susanne. »Und vor allem so neu!«
»Lässt du mich bitte ausreden?«, erwidert Paul ungewohnt energisch, und tatsächlich verstummt Susanne schlagartig. »Also, Annika war gestern in einem Brautgeschäft«, fährt er fort. Ich flehe ihn mit Blicken an: Bitte, erzähl jetzt nicht diese
Geschichte! Aber er guckt mich nicht einmal an, sondern redet weiter. »Sie hat sich da für ihre Schwester – ihr wisst ja, die will heiraten – nach einem Brautkleid erkundigt.« Gott sei Dank, er hat ›erkundigt‹ gesagt! »Und wurde dabei von dem Inhaber ziemlich angeflirtet, obwohl er gedacht hat, Annika würde für sich selbst nachfragen.« Paul wird zusehends sicherer, er lehnt sich zurück und genießt es sichtlich, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. »Später hat Annika mir die ganze Geschichte erzählt, und da sind wir auf eine spannende Idee gekommen.«
»Die da wäre?«, wiederholt Beatrice und klingt wie eine Platte, die hängen geblieben ist.
»Annika gibt in ihrer Single-Rubrik ja immer gern den Tipp, dass man sich so rar wie möglich machen soll«, erklärt Paul. »Und jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter: Mach dich unerreichbar! Sie und ich werden vier Wochen lang so tun, als wären wir ein Paar, das bald heiraten wird. Und während dieser Zeit schreiben wir Tagebuch. Was jeder von uns erlebt und ob sich dadurch unser jeweiliger Flirtfaktor erhöht! Wir lüften das Geheimnis, weshalb gerade das Verbotene, das Unerreichbare für viele Menschen so reizvoll ist.«
Schwachsinnig. Das ist das einzige Wort, das mir zu Pauls Vorschlag einfällt. Ist ja echt lieb, dass er versucht, meine Haut zu retten. Aber wer diese absurde Idee gut findet, kann wahrlich nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.
Beatrice wirkt erwartungsgemäß etwas verwirrt. Dann runzelt sie skeptisch die Stirn. Und gleich kommt vermutlich das große Donnerwetter, in dem sie klarstellt, dass sie es satt hat, von hirnlosen Idioten umgeben zu sein, die ihren Job nicht ernst nehmen. Vorsichtshalber ziehe ich schon einmal den Kopf zwischen die Schultern und drücke mir fast die Nase auf dem Tisch vor mir platt. Abwehrhaltung, sozusagen.
»Ganz wunderbar!« Wer war das? Ich hebe den Kopf. Und blicke direkt in das strahlende Gesicht meiner Chefin. Ich habe mich wohl verhört! Habe ich nicht: »Wirklich, Paul, das
Weitere Kostenlose Bücher