Mein wunderbarer Brautsalon
ist mal ein absolut neuer Ansatz! Auf so eine Idee kommt die Konkurrenz garantiert nicht.« Genau, denke ich, weil das nämlich absoluter und totaler Schwachsinn ist. »Sehr gut, sehr gut«, fährt Beatrice immer noch begeistert fort. »Annika tut so, als sei sie in festen Händen, als stelle sie keine Gefahr mehr dar. Weil sie eben all das, wonach unsere Leserinnen sich sehnen, nicht mehr braucht: keine Beziehung, keine gemeinsame Wohnung, keine Kinder, kein ›Für immer und ewig‹. Und das so lange, bis man ihn so fest am Haken hat, dass er nicht mehr loskommt. Brillant, Paul und Annika, in der Tat brillant!«
Ich bin in einem Irrenhaus gelandet! Das kann sie doch unmöglich ernst meinen, Partnersuche ist doch kein Tiefseefischen! Aber statt Protesten kommt nun auch zustimmendes Gemurmel meiner Kollegen. Paul grinst überaus zufrieden.
»Und ich«, sagt er, »schreibe dann das Tagebuch aus männlicher Sicht. Anstelle meines ›Was Männer wirklich wollen‹ untersuche ich, wie Frauen auf einen gebundenen Kerl reagieren.« Wieder Gelächter in der Redaktion, doch dann bringt ein strenger Blick von Beatrice die Kollegen zum Schweigen.
»Tut mir leid, Paul«, erklärt sie ihm, »wir sind ein Frauenmagazin. Es interessiert uns nicht, welche Chancen ein gebundener Mann hat. Schließlich haben unsere Leserinnen eher das Problem, dass sie an Männer geraten, die ihnen sonst was erzählen, obwohl sie verheiratet sind und nicht vorhaben, ihre Frau zu verlassen.« Wieder überall zustimmendes Nicken. »Aber es ist großartig von dir, wenn du dich dazu bereit erklärt, Annikas Verlobten zu geben.«
»Aber das wäre doch …«, setzt Paul an, verstummt allerdings sofort, als ihm klar wird, dass jeder Widerspruch zwecklos ist. »Das Thema ist also gekauft«, meint Beatrice. »Annika versucht in den nächsten Wochen, den Mann aus dem Brautgeschäft für sich zu gewinnen, obwohl er weiß, dass sie vergeben ist. Oder eben gerade weil!«
»Aber«, wende ich mit dem Mut der Verzweifelten ein, »wie geht es denn weiter?«
»Weiter?« Beatrice guckt fragend.
»Na, irgendwann muss ich ihm dann doch sagen, dass ich gar nicht vorhabe zu heiraten. Also, vorausgesetzt, er springt auf diese seltsame Geschichte überhaupt an«, boykottiere ich Pauls Idee. »Wenn ich tatsächlich eine Beziehung mit ihm haben wollen würde, meine ich. So eine Lügengeschichte kann man ja schließlich nicht ewig fortsetzen, eine echte Beziehung kann doch nur auf Vertrauen und Aufrichtigkeit aufgebaut werden. Denke ich jedenfalls.«
»Aber Annika«, wischt Beatrice meine Einwände vom Tisch, »wir sind ein Monatsmagazin! Im Juni interessiert es niemanden mehr, was wir im Mai gemacht haben. Nichts ist so alt wie das Heft vom letzten Monat.«
»Vielen Dank, Paul, das war ja eine tolle Idee!« Ich bin ziemlich sauer, als wir zurück an unsere Schreibtische gehen. »Kein Problem«, meint er und tut so, als würde er die Ironie in meiner Stimme überhaupt nicht bemerken. »Ich musste dich schließlich retten, was blieb mir da anderes übrig?«
»Ach?« Ich bleibe abrupt stehen und blitze ihn wütend an. »Mich retten? Und es ging dir nicht zufällig darum, auch deinen eigenen Hintern in Sicherheit zu bringen, weil du in der nächsten Ausgabe sonst gar keine Geschichte hast?«
»Wieso?«, erwidert Paul patzig. »Mein Tagebuch will ja niemand
lesen. Ich darf nur gnädigerweise deinen Handlanger spielen.« Auch wieder wahr, hatte ich glatt vergessen.
»Jetzt ist es sowieso zu spät«, lenke ich einigermaßen versöhnlich ein. »Also schauen wir mal, ob die Geschichte überhaupt dazu taugt, mehr als drei Zeilen zu füllen.«
»Ich weiß gar nicht, warum du das so pessimistisch siehst«, wirft Paul ein, »ich finde den Ansatz richtig lustig.«
»Ja, unheimlich lustig. Fragt sich nur, wer zuletzt lacht.«
»Na, du«, stellt Paul selbstsicher fest. »Wir nehmen uns diesen Typen vom Brautsalon vor, und du wickelst ihn dann nach allen Regeln der Kunst um den Finger.«
»Klar, das ist ja eine meiner leichtesten Übungen.«
»Wir können uns natürlich auch ein anderes Opfer suchen«, räumt Paul ein. »Aber du meintest doch, er sei offenbar ganz angetan gewesen von dir, stützt also unsere Theorie von dem Nicht-haben-Können. Damit ist er doch perfekt.«
»Ich weiß nicht, Paul. Irgendwie habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache. Ich finde die Idee so wirklichkeitsfern, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass unsere Leserinnen damit etwas anfangen
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