Mein wundervolles Genom
schweizerische Unternehmen GenePartner auf den Markt. GenePartner betreibt nicht direkt Partnervermittlung, sondern beschränkt sein Angebot darauf, per Internet Tests für Interessierte anzubieten. Wie immer ist es ganz einfach: Sie bekommen ein paar Wattestäbchen, fahren damit einmal an Ihrer Wangenschleimhaut und an der Schleimhaut des anderen entlang, den Sie gern testen lassen würden, und schicken das Ganze an GenePartner zurück. Später bekommen Sie einen Zugangscode zu einem eigenen Account auf der Website der Firma, und dort können Sie in aller Ruhe nachlesen, wie gut Sie und Ihr (künftiger) Partner in genetischer Hinsicht zusammenpassen.
»Für mich klingt das alles wie Anziehung bei Tieren«, sagt mein Kollege J., als er von GenePartner hört; er findet den Gedanken eindeutig abstoßend. So abstoßend, dass er meint, wir beide sollten so schnell wie möglich einen Test machen. Der Vorschlag kommt nicht von ungefähr. Ein paar Jahre lang hat er energisch dafür plädiert, dass wir gemeinsam ein Baby produzieren sollten. Es ging nicht darum, zusammenzuleben oder in anderer traditioneller Weise miteinander verbunden zu sein – wir haben beide andere Partner –, aber weil seine Freundin keine Kinderbekommen kann, dachte er, das wäre eine gute Lösung. Vor allem aus dem genetischen Blickwinkel.
»Wir sehen beide gut aus, oder nicht?«, sagt er und meint damit vor allem sich selbst. Auf mein Achselzucken fährt er fort, dass wir uns gegenseitig gut ergänzen: »Du bist rational begabt, und ich bin ein hervorragendes Beispiel für den künstlerischen, ästhetischen Typus.« Mit anderen Worten: eine ideale Kombination.
Weil ich immer noch nicht überzeugt bin, geht er zu den rein physiologischen Vorzügen über. »Meine Großmutter ist über hundert geworden, und bis zum Ende war sie fit wie ein Turnschuh.« Und dann zückt er seine Trumpfkarte: »Meine Leber und meine Bauchspeicheldrüse sind in Topform!« In Anbetracht seines Weinkonsums spricht das eindeutig für eine robuste Konstitution. Als letztes Mittel, mich doch noch rumzukriegen, setzt er ein wissenschaftliches Argument ein: Wir können den HLA-Test machen lassen, der zeigen wird, ob wir zur Tat schreiten sollten, bevor es bei mir zu spät ist.
Ich stimme im Grundsatz zu, aber werfe J. aus meinem Büro, damit ich Claus Wedekind anrufen kann. Er ist nicht mehr Doktorand, sondern inzwischen Professor an der Universität Lausanne. Mein Anliegen kommentiert er mit einem tiefen Seufzer.
»Ich schätze, ich werde mich daran gewöhnen müssen, dass ich diese alte Studie nie mehr loswerde.« Er erklärt, dass er nicht mehr mit Menschen forscht, sondern sich viel stärker für Fische interessiert. Aber jede Woche riefen mindestens zwei Journalisten von irgendwo auf der Welt an und bäten ihn um eine Stellungnahme zu T-Shirt-Gerüchen und Anziehung, dem alten Thema. Der auffallend höfliche, zurückhaltende Mann gesteht, dass er es ein bisschen satt habe. »Ich gehe nicht ins Fernsehen, es kostet einfach zu viel Zeit. Aber ich beantworte Ihre Fragen gern am Telefon.«
Ich möchte von Wedekind wissen, wie er über das Forschungsfeld denkt, das er mitbegründet hat und das – soweit möglich – inzwischen kommerzialisiert und vermarktet wird. Reichen die Daten aus, um ein Produkt auf den Markt zu bringen? Wieder seufzt er.
»Ich denke, man muss zugeben, dass es Präferenzen beim Körpergeruch gibt, die mit den HLA-Genen zusammenhängen. Ich denke auch, dass es Präferenzen bei der menschlichen Partnerwahl gibt. Das kann man aus meiner Studie klar ableiten, und es wurde in ähnlichen Studien an anderen Bevölkerungsgruppen bestätigt.«
In der Tat gibt es solche Studien mit weißen Amerikanern. Aber eine Studie, die 2008 veröffentlicht wurde, zeigte keine HLA-Präferenzen bei Paaren aus dem Volk der Yoruba in Nigeria. 4 Und in zwei weiteren Studien aus dem Jahr 2000, bei denen die HLA-Gene von japanischen Paaren getestet wurden, entsprach der Grad der Verschiedenheit bei den HLA-Genen bei Ehepaaren offenbar dem in der Gesamtbevölkerung. 5
»Die Tatsache, dass manche Studien keine Präferenzen nachgewiesen haben, spricht nicht prinzipiell gegen die Idee«, beharrt Wedekind. Er neige der Hypothese zu, die Präferenz für einen Partner mit unterschiedlichen HLA-Genen sei entstanden, um in den kleinen Gruppen, in denen Homo sapiens ursprünglich gelebt habe, Inzucht zu verhindern.
»Wir wissen nicht, wie viel die HLA-Gene beim Menschen im Vergleich
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