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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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eindeutig mit einer SNP-Variante in einem ganz bestimmten Gen einhergeht, von dem man bereits wusste, dass es ein Protein produziert, das Entzündungsvorgänge im Körper reguliert. Die Forscher schlugen zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie hatten eine Verbindung entdeckt, die es ermöglichte, Menschen mit einem hohen Risiko für diese Erkrankung zu identifizieren, und sie hatten einen Ansatz, um den Mechanismus der Erkrankung aufzuklären. 7
    Zwei Jahre später wurden zwei bedeutsame Assoziationsstudien in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. In der ersten versuchten Wissenschaftler von der kanadischen McGill University, die genetischen Faktoren zu lokalisieren, die bei Typ-2-Diabetes eine Rolle spielen, einer der großen Volkskrankheiten unserer Zeit. Sie untersuchten die SNPs von fast viertausend Personen und fanden viele Assoziationen – vor allem Varianten bei zwei bereits sehr gut untersuchten Genen. 8 Später im selben Jahr förderte der britische Wellcome Trust entsprechende Untersuchungen für Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Polyarthritis, Morbus Crohn und bipolare Störungen. Zweihundert Forscher untersuchten die Daten von siebzehntausend Personen, gesunden und kranken, und fanden eine Reihe neuer genetischer Assoziationen. 9
    Bis heute haben diese und weitere Studien über vierhundert Assoziationen zwischen bestimmten Genvarianten und allen möglichem Krankheiten und Merkmalen aufgedeckt – von Prostatakrebs über Nierensteine bis zu lockigen Haaren und auch zu eher exotischen Dingen wie der Fähigkeit, den Geruch von verdautem Spargel im Urin wahrzunehmen.
    So weit, so gut. Aber hat es einen praktischen Nutzwert, wenn wir ein Gen besitzen, das uns empfänglich für Spargelausdünstungen nach dem Essen macht? Dass die Technologie für die Sequenzierung von Genen, die Untersuchung von Genvarianten und die Durchführung von Assoziationsstudien immer billiger geworden ist, hat ganz neue Blütenaußerhalb der Labors getrieben. Wie der bekannte amerikanische Psychologe Steven Pinker treffend bemerkt hat: »Wir sind in das Zeitalter der Konsumgenetik eingetreten.« 10
    Der große Sprung nach vorn in Richtung Konsumgenetik geschah 2008, als die breite Masse eingeladen wurde, dem Vorbild von James Watson, Craig Venter und einer Handvoll Berühmtheiten zu folgen und ihr Genom entschlüsseln zu lassen. Zwei Unternehmen, deCODEme aus Island und 23andMe aus Amerika, lieferten sich ein heißes Rennen darum, als Erster mit kommerziellen Genprofilen auf den Markt zu kommen. Wenn Sie eine Speichelprobe einschicken oder ein paar Zellen Ihrer Wangenschleimhaut, testen deCODEme und 23andMe die Probe und ermitteln zwischen fünfhunderttausend und einer Million genetischer Marker. Ihre SNPs werden dann mit den Ergebnissen mehrerer hochkarätiger Assoziationsstudien verglichen, und man prüft, ob Ihre Gene dem Muster entsprechen, das man zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Alzheimer gefunden hat.
    Assoziationsstudien liefern freilich keine eindeutigen Voraussagen. Sie bekommen keine Gendiagnose und mit ihr die Auskunft, dass Sie höchstwahrscheinlich an einem genetisch bedingten Leiden erkranken werden. Vielmehr erhalten Sie eine Risikoeinschätzung: eine Zusammenstellung von Indikatoren, die Ihr Risiko für eine bestimmte Erkrankung in Relation zum Risiko der gesamten Bevölkerung setzt.
    Nach Ihrem genetischen Profil beträgt Ihr Risiko, lieber Kunde, irgendwann im Leben an Krankheit X zu erkranken, 8,7 Prozent. Damit ist es um 25 Prozent höher als das durchschnittliche Risiko für Menschen Ihrer ethnischen Herkunft.
    Mit der genetischen Risikoeinschätzung in der Hand können Sie nun zielgerichtete Prävention betreiben. Wie die chinesischen Eltern, die ihre Kinder ins Ferienlager schicken, wo ihre Gene getestet werden, können auch Sie Ihre genetische Ausstattung studieren und sich überlegen, was Sie im Interesse Ihrer Gesundheit und eines langen Lebens tun sollten – vielleicht auch im Interesse Ihrer Karrierechancen. Umdas Ganze so effizient (und wahrscheinlich auch so kostengünstig) wie möglich zu gestalten, geht alles virtuell vonstatten, ohne direkten Kontakt, nur im Internet. Dort können nicht nur Sie durch Ihr Genom browsen, sondern auch »Freunde« dazu einladen.
    Das ist Genetik nach dem Vorbild von Facebook. Informationen, die bisher immer verborgen und unerreichbar waren, werden nun sichtbar gemacht und gezeigt; was bisher als

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