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Mein wundervolles Genom

Mein wundervolles Genom

Titel: Mein wundervolles Genom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lone Frank
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aus. Der Amerikaner J. Craig Venter und sein kommerzielles Unternehmen Celera versprachen, das komplette Genom schneller und preiswerter zu sequenzieren als alle akademischen Forschergruppen zusammen. Venter hatte eineregelrechte Sequenzierungsfabrik in Rockville in Maryland aufgebaut, von den NIH nur ein Stück weit die Straße hinunter, und er rüstete sie mit der neuesten Generation von Sequenzierungsmaschinen und einer Armada von Supercomputern aus, die das genetische Puzzle zusammensetzen sollten. Sein Vorstoß wurde harsch kritisiert. Die Zeitungen nannten Venter einen Rebellen, und der alte Watson bezeichnete ihn in seiner typischen Art als »Hitler«. 6
    Die Kontroverse endete mit einem Kompromiss: Celera und das Humangenomprojekt tauschten wichtige Daten aus. Das Vernunftbündnis arbeitete zusammen und legte 2001, vier Jahre früher als geplant, eine erste Skizze des menschlichen Genoms vor. Die Präsentation war von großen Worten begleitet. Der amerikanische Präsident Bill Clinton und der britische Premierminister Tony Blair erschienen gemeinsam vor den Fernsehkameras und sprachen vom »Buch des Lebens«.
    Das Buch barg einige Überraschungen. Die Forscher wunderten sich, wie wenig es enthielt. Bis dahin hatte der wissenschaftliche Konsens gelautet, das menschliche Genom müsse aus rund hunderttausend Genen bestehen, aber die Analyse zeigte, dass es eher zwanzig- bis dreißigtausend waren – schockierend wenig.
    Tatsächlich machen die Gene nur etwa zwei Prozent des gesamten Genoms aus. Sie erinnern an Perlen, die auf einer langen Schnur verteilt sind. Jedes Gen entspricht einer Sequenz zwischen einem Start- und einem Stoppsignal; zwischen den Genen liegt ein Meer von DNA, das niemals Proteine produziert. Die restlichen 98 Prozent des Genoms sind eine bunte Mischung aller möglichen Bestandteile, die man bisher kaum erforscht und verstanden hat.
    Die Gene selbst werden von Regionen flankiert, die ihre Aktivität regeln. Man kann sie sich vorstellen wie Gaspedale, die je nach Bedarf die Produktion von RNA steigern oder drosseln. Aber diese regulierenden Regionen nehmen nicht viel Raum ein, und alles Übrige wird bislang als Junk-DNA, Schrott, bezeichnet. Ein Teil davon – genau gesagt acht Prozent des gesamten Genoms – sieht wie ein Virenfriedhof aus. Es sind Sequenzen von allen möglichen Viren, die zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten weit zurück in den Tiefen der Evolution als blinde Passagiere angedockt und ihre Fähigkeit verloren haben, uns krank zu machen.
    Doch ein Teil des »Schrotts« gibt langsam seine Funktion preis. Es hat sich herausgestellt, dass das Durcheinander keineswegs passiv ist – dort entstehen riesige Mengen von RNA-Molekülen, die niemals in Protein übersetzt werden, sondern selbst in der Zelle zirkulieren. Man hat bereits herausgefunden, dass einige dieser RNA-Moleküle die Aktivität der »echten« Gene zu regulieren helfen; bei anderen weiß man noch nicht, was ihre Aufgabe ist.
    Anhand des Genmaterials von ein paar hundert anonymen Menschen, unter Einsatz von Hunderttausenden Laborstunden und insgesamt vier Milliarden Dollar hat das Humangenomprojekt uns die erste biologische Karte der Menschheit gegeben. Der enorme technische Aufwand, der dabei betrieben wurde, sorgt heute dafür, dass die Sache unglaublich rasch voranschreitet, und der Preis für eine Genomsequenzierung befindet sich praktisch im freien Fall. Von 1999 bis 2009 ist der Preis um den kolossalen Faktor vierzehntausend gefallen, und 2010 – knapp zehn Jahre nach der Entschlüsselung des ersten Genoms – bieten Firmen wie Illumina und Complete Genomics die Sequenzierung eines menschlichen Genoms für 6000 Dollar an. Die Arbeit wird von Maschinen erledigt und dauert einen einzigen Tag.
    Das Genomprojekt ist mehr als alles andere ein Ableger des sich entwickelnden genetisch-industriellen Komplexes. Sobald die ursprüngliche Vision verwirklicht war, konnte die internationale Forschungsmaschinerie, die dafür eingerichtet worden war, nicht einfach stillgelegt werden, und die Wissenschaftler an den großen Instituten benannten neue Projekte. Sie verlagerten ihre Aufmerksamkeit von der Kartierung unserer grundlegenden gemeinsamen genetischen Ausstattung auf die Erforschung individueller Varianten. Das Ziel lautete nun, alle Unterschiede in unserer DNA zu katalogisieren, weil sie natürlich der Schlüssel zum Verständnis der Unterschiede zwischen den Menschen sind.
    Das erste große Unternehmen, HapMap, wollte

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