Mein wundervolles Genom
werden müssen. Mutationen in BRCA1 erhöhen vor allem das Risiko für Eierstockkrebs deutlich, das Risiko kann bei bis zu 60 Prozent liegen.«
Okay, also auch jährliche Kontrolluntersuchungen der Eierstöcke.
»Aber Eierstöcke sind nun einmal nicht so leicht zu untersuchen wie Brüste. Und Eierstockkrebs ist sehr viel schwieriger zu behandeln als Brustkrebs. Die Sterblichkeit ist ziemlich hoch. Die Empfehlung lautet hier, präventiv beide Eierstöcke zu entfernen.«
Oh. Daran hatte ich nicht gedacht.
»Die Frage einer Hormonbehandlung zur Vermeidung einer vorzeitigen Menopause ist einigermaßen heikel«, sagt Gerdes. »Östrogen zählt zu den Faktoren, die die Entwicklung von Brustkrebs fördern. Auf der anderen Seite zeigen Studien, dass die Entfernung der Eierstöcke bei Frauen mit BRCA1-Mutationen einen gewissen Schutz vor Brustkrebs bietet.«
Trotzdem, ich möchte den Test immer noch. Ich habe keine Kinder, also betrifft das Ergebnis wenigstens niemand anderen.
»Dann müssten wir uns zuerst Ihren Stammbaum ansehen«, sagt Kjergaard und fährt mit dem Finger von meiner Mutter zu ihrem Bruder, meinem Onkel, dann weiter zu seinen beiden Töchtern, meinen Cousinen. »Wenn Sie eine Mutation von Ihrer Mutter geerbt haben, besteht eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass der Bruder Ihrer Mutter diese Mutation auch hat. Und wenn er sie hat, liegt die Wahrscheinlichkeit für Ihre Cousinen ebenfalls bei 50 Prozent.«
»Und Sie haben einen Bruder«, wirft ihre Chefin ein. »Er könnte ebenfalls die BRCA-Mutation haben, die wir bei Ihnen finden, und hätte dann ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs, das er an seine Kinder weitergeben könnte.«
Ich murmele etwas davon, dass ich mit meinem Bruder sprechen werde, wenn es relevant werden sollte. Mit meinen Cousinen ebenfalls.
»Ja, denn wir können das nicht tun«, sagt Kjergaard und erhebt sich. »Dann werde ich einen Bluttest anordnen.« Ihre Worte klingen sehr endgültig. »Sie können gleich runtergehen und sich Blut abnehmen lassen. Wenn die genetische Analyse abgeschlossen ist, was etwa zwei Monate dauern wird, werden wir Sie für ein Gespräch einbestellen.«
Sie setzt sich an den Computer, um meine Daten einzugeben. Dann dreht sie sich noch mal zu mir um. »Wenn Sie von uns hören, werden Sie dem Wortlaut des Schreibens nicht entnehmen können, ob alles in Ordnung ist oder nicht. Wir geben nur im direkten Gespräch Auskünfte.«
Ich schüttele beiden die Hand, und beide lächeln unbeschwert. Für mich klingt das »Bis dann«, mit dem sie mich verabschieden, irgendwie seltsam.
Die Station im Erdgeschoss, wo die Blutproben abgenommen werden, funktioniert wie eine gut geölte Maschine. Man zieht eine Nummer und setzt sich zu den anderen Patienten mit ihrer fahlen Haut, ihren Bademänteln und ihren Infusionsständern. Wenn die eigene Nummer an der Reihe ist, wird man aufgerufen und in einen kleinen Raum geführt, wo einem eine erschreckend effiziente Laborantin eine Kanüle in die Vene sticht und die notwendige Menge Blut abzapft. Es dauert maximal zwei Minuten und geht wortlos vonstatten, bis man wieder weggeschickt wird.
Draußen, zurück in der realen Welt, vergesse ich mein Fahrrad. Ich bin schon die halbe Strecke nach Hause gelaufen, als es mir wieder einfällt.
Später rekapituliere ich das Gespräch mit den beiden Ärztinnen und spiele verschiedene Szenarien durch. Auf einmal scheint klar zu sein, dass bei dem Test nur herauskommen kann, dass ich BRCA-Mutationen habe, und deshalb muss ich mir eine Haltung zu den verfügbaren Optionen überlegen. Ich höre sehr deutlich Kári Stefánsson, wie er ohne das geringste Zittern in seiner Stimme »bilaterale Mastektomie« sagt.
Aber würde ich das wirklich freiwillig durchmachen, die Brustoperationen und die Entfernung der Eierstöcke, von den Folgen einer früheren Menopause ganz zu schweigen? Mich aufschneiden lassen und mit grauen Haaren und Leberflecken wieder heimkommen? Andererseits: Wie wäre es, mit der ständigen Angst zu leben, dass bei der nächsten Kontrolluntersuchung die tückische Krankheit entdeckt wird?
Nachts gehen mir absurde Gedanken über die beiden BRCA-Gene und die Proteine, für die sie codieren, durch den Kopf. In einer Reihe von cartoonähnlichen Bildern male ich mir aus, wie die Chromosomen Schaden anrichten. Wenn das Rückgrat der langen DNA-Moleküle zerbricht, wird ein ganzer Apparat in Gang gesetzt, um die Stränge zu reparieren; BRCA1 und BRCA2 machen sich an diese
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